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Zu den bedeutenden Industriezweigen der letzten 300 Jahre im Kanton Aargau gehören auch die Schuh- und Strohindustrie. Das Strohmuseum im Park in Wohlen präsentiert dazu eine Sonderausstellung «Au revoir à Chly Paris».


home strohm ausst chlyparisSie sind längst zu einem Begriff geworden ‒ «Bally» und «Chly Paris». Zwei Industriezweige, die im Kanton Aargau Geschichte geschrieben haben und in den vergangenen zwei Jahrhunderten einen wichtigen Anteil zur Arbeitsplatzbeschaffung und wirtschaftlichem Erfolg des Kantons leisteten ‒das Schuhimperium Bally in Schönenwerd und Villmergen und das «Chly Paris» in Wohlen, die Strohindustrie im Freiamt.

Die Füsse schützen mit Stil
Bereits die Neandertaler vor über 40'000 Jahre haben sich Häute oder Tierfelle um die Füsse gewickelt, damit sie vor Kälte und Dornen geschützt waren. Diese bestanden aus Hirschfell, Grasfasern und Lindenbast. Die alten Ägypter flochten offene Schuhe aus Leder und die Sohlen wurden aus Bärenfell gefertigt. Schon im Mittelalter gab es bis in die Spitzen gebogene Schuhe, was anzeigte, welchen adligen oder bürgerlichen Stand die TrägerIn in der Gesellschaft hatte ‒ je länger der Schnabel, desto wichtiger waren die BesitzerInnen. Auch kamen zu dieser Zeit die ersten Absätze auf. Im modebewussten Venedig gab es im 16. Jahrhundert bis zu einem halben Meter hohe Sockelschuhe, Chopinen genannt. Im 19. Jahrhundert entstand ein eigentlicher Schuh-Boom bei einer klaren Geschlechtertrennung. Zur Arbeit trugen die Männer strapazierfähiges Schuhwerk, während die Frauen sich gerne in feinen Satinschuhen oder zierlichen Stiefeletten zeigten.

In der Schweiz lag die Schuhproduktion zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch vielerorts in den Händen der Zünfte und sie wurden folglich handwerklich hergestellt. Eine grosse Wende vollzog sich 1851, als Carl Franz Bally mit der industriellen Produktion von Schuhen begann. Der Beginn war sehr schwierig, doch einen ersten Durchbruch erlangte er mit dem Export von «derbem Schuhwerk». Bis etwa 1890 hatte er fast die gesamte Schuhproduktion mechanisiert und zählte mit seinen modernen Schuhen mit hoher Qualität um 1900 zu den weltgrössten Schuhherstellern. Bally produzierte rund 4 Millionen Paar Schuhe jährlich.

Die Schuhfabrikation in Schönenwerd wurde zu einem Schuhimperium. So eröffnete Bally 1911 seinen Fabrikbetrieb in Villmergen, dem Bally-Gebiet bei Dottikon, und beschäftigte zeitweise bis zu 1000 ArbeiterInnen. Der Betrieb konnte noch erfolgreich die Krisenzeiten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert überleben, doch zu Beginn der 1970er-Jahre mehrten sich die Probleme und der Gewinn sank. So wurde die Bally-Fabrik in Villmergen 1985 geschlossen und der Standort Schönenwerd 1999 aufgegeben und was noch blieb wurde nach Caslano in den Tessin verlagert.

Es war kein Stroh-Feuer
Bereits im 18. Jahrhundert entwickelten sich die Strohflechterei und Hutnäherei im Freiamt zu Industrien, auf deren Verdienst bald die ganze Unterschicht der Gegend angewiesen war. Die Fabrikanten begannen sich zu Kompagnien zusammen zu schliessen. Bei den Teilhabern der Gesellschaften stösst man immer wieder auf die gleichen Namen ‒ Isler, Dubler, Wohler und Bruggisser. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erlitt die Strohindustrie eine schwere Krise, konnte sich mit verschiedenen Erfindungen aber wieder auffangen. Dazu zählte auch, dass das Haus Jakob Jsler 1832 in New York 1852 eine Niederlassung eröffnete. 1857 soll es gemäss Statistik in Wohlen 12 und im übrigen Bezirk Bremgarten 27 Fabrikanten von Strohwaren gegeben haben. So wurden im 19. Jahrhundert in keiner anderen Region der Welt so feine Hutgarnituren hergestellt wie im Freiamt. Das Stroh war während zwei Jahrhunderten die Grundlage für einen blühenden Wirtschaftszweig. Aufgrund mangelnder Nachfrage verschwand dann Mitte des 20. Jahrhunderts die Strohindustrie.

Eine kleine Zeitreise
Im Jahre 1939 fand in Zürich die «Landi» (Landesausstellung) statt und gab einen Einblick in die Leistungen von Gewerbe, Industrie und das «Sein und Schaffen» des Schweizer Volkes. Mit dabei waren auch die Schuh- und Strohbarone aus dem Aargau und präsentierten in einer imposanten Ausstellung ihre Produkte. Nun widmet sich das Strohmuseum Wohlen mit einer eindrücklichen und informativen Ausstellung sich diesem Thema und ladet ein zu einer Zeitreise in die Vergangenheit.

So ist Bally zu Gast in der Villa Isler für ein Au revoir à «Chly Paris». Im eindrücklich eingerichteten Salon des Strohmuseums im Park kann man die damalige Geschichte verfolgen, Schuhe und Hüte von damals bewundern. Ab Radio hört man ein fiktives Gespräch zwischen Bally und Isler und auf einem Bildschirm kann man einen Blick auf die «Landi» werfen. Im ersten Stock trifft man dann auf die Schuhmodelle von damals, eingebettet in einen Spiegelsaal wie damals. Insgesamt eine informative Ausstellung mit interessanten Aktivitäten, die ausgerichtet sind auf Erwachsene, Kinder, Jugendliche und Schulklassen.

Richard Wurz
26. September 2019
Bilder: ETH-Bibliothek Zürich und Richard Wurz

Die Vernissage der Ausstellung «Au revoir à Chly Paris» findet am Sonntag, 29. September um 11.30 Uhr im Strohmuseum im Park in Wohlen statt. Die Ausstellung dauert bis 25. September 2010. Weitere Informationen unter www.strohmuseum.ch

 

 

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