Bildnerisches Gestalten für vernetztes Denken
Ja, das gebe sie offen zu, meinte Silvia Huber, Gestaltungslehrerin für Bildnerisches Gestalten an der Kantonsschule Wohlen, ihr Fach sei ein Nischenfach. Wer mit Musik als Fach nichts anfangen könne, meinte sie, der lande im bildnerischen Gestalten und müsse sich folglich in den ersten zwei Jahren im Grundlagenfach damit abmühen. Sie verteidigte aber im lockeren Gespräch vehement, dass «ihr» Fach so belächelt und manchmal gar nicht ernst genommen wird. Klar sei im bildnerischen Gestalten nicht unbedingt das kognitive Lernen an erster Stelle, aber man erhalte damit auch die Möglichkeit, das Hirn, welches ja naturgemäss bei den KantischülerInnen im Bereich des kognitiven Lernes stark geschult sei, noch in eine andere Richtung zu nutzen. «Wir haben an der Kanti absolute Lernprofis vor uns und nun müssen sie in einem Fach wie bildnerisches Gestalten lernen, Ideen zuzulassen und selber zu entwickeln», führte die charmante Lehrperson der Kanti Wohlen beim Kafi-Tratsch aus.
Auch gehe es darum, vernetztes Denken zu trainieren. Eine Fähigkeit, welche in der Schule vorausgesetzt werde, aber im Bildnerischen Gestalten könne man dies auch wirklich erlernen, trainieren und schliesslich für andere Fächer dann wieder nutzen. In diesem Sinne sei es wichtig, dass man auch im Bereich der Kreativität geschult werde und lerne, die eigene Kreativität auch zuzulassen, führte Silvia Huber weiter aus. Auch wies sie die Anwesenden im Tratsch darauf hin, dass gerade Kreativität und die Verfolgung eines eigenen Projektes heute in vielen Stellenanzeigen bei hoch dotierten Jobs gesucht werde, sprich ein Bedürfnis der heutigen Zeit sei, auch wenn man manchmal das Gefühl habe, dass nur Wissen, Leistung und Fleiss gesucht sei.
Kreativität ist vielgestaltig
Silvia Huber gab an diesem Morgen im Kafi-Tratsch allerdings auch zu bedenken, dass Kreativität äusserst vielgestaltig sei und auf die verschiedensten Arten ausgelebt werden könne. Sie selber habe in der 3. Kantonsschule gemerkt, dass sie sich kreativ ausleben müsse, sie ihren Ideen Raum und ihre ganz eigenen Projekte verfolgen müsse. Sie habe das Glück gehabt, dass ihr ihr Kantonsschullehrer diesen Raum gegeben habe. In diesem Sinne leitet sie auch die SchülerInnen an der Kantonsschule Wohlen an und ist sich dabei völlig bewusst, dass nicht jeder und jede, der bei ihr im Unterricht sitzt, auch Bock auf Bildnerisches Gestalten hat. «Da lege ich halt die Karten auf den Tisch und mache mit den jeweiligen SchülerInnen in einem Deal aus, was sie für welche Note leisten müssen», meinte die vereinnahmende Lehrerin lächelnd und fügt weiter an: «Es ist manchmal eine wertvolle Erfahrung für die sehr guten SchülerInnen, dass es auch ein Fach gebe in dem sie nun mal nicht zu der Spitze gehören würden.»
Gerade in diesem Sinne ist es eine Schule fürs Leben. Auf die Frage, ob denn die SchülerInnen heute anders seien, als noch vor zwanzig Jahren als sie mit Unterrichten angefangen habe, meinte Silvia Huber, dass die heutige Schülerschaft kommunikativer geworden sei und gleichzeitig einem enormen Leistungsdruck standhalten müsse. Nicht nur die Schule fordere, sondern auch die Sozialen Netzwerke würden viel Aufmerksamkeit einfordern. Sie habe allerdings gemerkt, dass SchülerInnen, welche es schaffen würden einen Bezug zu sich selbst zu haben und zu entscheiden, dass gewisse Dinge im Moment keine Priorität haben würden, ganz gut klarkommen damit. Eines sei aber ganz klar: «Die Jugendlichen müssen abliefern und das nicht nur in der Schule, sondern auch im Privatleben.» Ob dies wirklich eine gesunde Entwicklung sei, das bezweifle sie stark, meinte die engagierte Lehrerin.
Bettina Leemann
26. Mai 2019
Bilder: Bettina Leemann
Einen Einblick in ihr Schaffen mit den KantischülerInnen findet man unter www.freiamtplus.ch/kultur/697-bestehende-denkmuster-ablegen.html
Der nächste Kafi-Tratsch von freiamtplus und dem Café Spatz findet am Samstag, 29. Juni um 10 Uhr statt.