Chilbi ist auch ein Teil der Kultur
Der hektische Betrieb des Bremgarter Leuenfestes liess Peter Howald nicht davon abhalten die samstägliche Vormittagspause verbunden mit dem Kafi-Tratsch auf dem roten Sofa im Foyer des Kellertheaters Bremgarten bei Kaffee und Zopf zu geniessen. Es sei etwas Grosses, was im Städtchen alles angeboten werde, meinte er, und die verschiedenen Märkte in der Schweiz würden ja schon seit 50 Jahren sein Leben mitprägen. Die Plätze zu organisieren und möglichst allen Wünschen gerecht zu werden, das kenne er seit unzähligen Jahren, meinte Peter Howald, aber diesmal sei es in Bremgarten richtig schlimm gewesen. Es habe an einer offenen Kommunikation verbunden mit klaren verbindlichen Richtlinien gefehlt. «Ich übe meinen Beruf als Schausteller und Markt-Mitorganisator immer noch mit grosser Freude aus, aber in der vergangenen Woche bin ich zehn Jahre älter geworden.» Trotz dieser nicht erfreulichen Ausgangslage spürte man aber im Gespräch, dass Peter Howald in den vergangenen Jahrzehnten bei allen Hochs und Tiefs seinen Beruf mit grossem Engagement und Freude ausübte, die Verantwortung auch vor Ort wahrnahm und für tragfähige Bedingungen für die Schausteller kämpfte.
Peter Hochwald
Das waren noch Zeiten
Das Marktgeschehen mit seinen Marktständen und den verschiedenen attraktiven Bahnen hat Peter Howald schon in die Wiege gelegt bekommen, denn sein Vater begann 1948 mit einem Wurststand von Chilbi zu Chilbi zu ziehen. Die Utensilien für seinen Stand habe sein Vater zu Beginn noch mit dem Veloanhänger transportiert, erklärte Peter Howald. Später habe dann ein «Amerikaner» mit einem grossen Kofferraum den Veloanhänger abgelöst. «Ich habe den ganzen Aufbau schon als Kind miterlebt.» Damit er seinem Vater helfen konnte das Geschäft aufzubauen und zu erweitern, habe er die Handelsschule abgebrochen, so der 69-jährige Peter Howald. Bald seien die ersten Imbisswagen dazugekommen und selber habe er daneben begonnen eine Schiessbude zu betreiben. Diese habe er aber selbst organisieren und finanzieren müssen, betonte er, denn sein Vater habe nichts davon wissen wollen. Trotzdem habe er aber dann den Betrieb mit einem Kinderkarussell, einem Riesenrad und weiteren Bahnen erweitert. Das Hauptaugenmerk seiner Tätigkeit sei aber der Ausbau der Imbisswagen verbunden mit Kinderspielstätten geblieben und die Organisation von Lunaparks in den verschiedensten kleineren und grösseren Orten. So organisiere er schon seit rund 30 Jahren den Lunapark beim Casino in Bremgarten und sei in Chur seit elf Jahren für den Christchindlimärt verantwortlich.
Die guten Zeiten sind vorbei
Ein Lunapark sei ein Teil der Kultur, doch werde dies in der Schweiz nicht so anerkannt, betonte Peter Howald. Er erinnerte daran, dass das Gewerbe eine Tradition seit mehreren Jahrhunderten hat. So waren es einst die Feuerschlucker und Gaukler, welche den Dorfplatz belebten, dann kam das erste Rösslikarussell, das noch von Pferden angetrieben worden sei. Die Karusselle seien die Ersten gewesen, so Peter Howald, dann seien die Schaubuden dazugekommen, in den 1920er-Jahren die ersten Bahnen und in den 1930er-Jahren die erste Achterbahn. Natürlich seien immer wieder neue Bahnen erstellt worden, aber immer auf dem neuesten technischen Stand. So werde der gesamte Park des Schaustellers jährlich vom TÜV überprüft und ohne seine Genehmigung gebe es keine Reisebewilligung. «Insgesamt sind die Kosten für den gesamten Betrieb massiv gestiegen und die guten Zeiten sind längst vorbei.» So würden sich die Investitionen heute für ein Karussell auf rund 130'000 Franken belaufen und ein Riesenrad auf rund 1.8 Millionen Franken. Insgesamt rechne es sich fast nicht mehr, betonte Peter Howald, denn neben den hohen Investitionskosten kämen die immer teurer gewordenen Platzmieten, die Personal- und Transportkosten. Als Beispiel fügte er an, dass sich die Kosten alleine bis man mit einem Wellenflieger auf dem Platz sei auf rund 10'000 Franken belaufen. So wäre es wichtig, dass der Schausteller mit seinen Bahnen mehrere Tage am gleichen Ort sein kann und sich zum Beispiel für einen jährlich wiederkehrenden Markt nicht jedes Jahr neu bewerben müsse, sondern eine Platzzusicherung für mehrere Jahre erhalte. Auf die Fahrpreise angesprochen, wies Peter Howald darauf hin, dass dieser im Verhältnis zu den grossen Freizeitparks moderat sei. Auf einer richtigen Chilbi könne man noch das Fahren auf den verschiedenen Bahnen ohne Warteschlange geniessen und so auch vom ganzen Angebot des Lunaparks profitieren.
Die Chilbi stirbt nicht aus
Ende Jahr finde in seinem Betrieb der familiäre Generationenwechsel statt und das sei für ihn sehr beruhigend, erklärte Peter Howald. «In vielen Betrieben stehe der Generationenwechsel an, doch fehle leider vielfach der Nachwuchs, der Freude habe den anspruchsvollen Beruf als Schausteller auszuüben.» Im Frühjahr 2024 werde er auch als Präsident des Schausteller-Verband-Schweiz zurücktreten. «Ein bisschen Wehmut ist schon da, aber es geht auch ohne mich weiter und es wird auch in hundert Jahren noch eine Chilbi geben.» Seine schönste Erinnerung sei die Kinderschlaufe – ein Zug, der über Hügel fährt – und sein grösster Albtraum das Riesenrad, erinnerte sich Peter Howald. Zum Schluss verriet er auch noch seinen Lunapark und dazu gehören für ihn unter anderem die Autoscooter, die Berg- und Talbahn Himalaya, die Schaukel über Kopf, vor allem aber der Alpenblitz – mit dem Zug auf die Familienachterbahn.
Richard Wurz
26. Juni 2023
Bilder: Patrick Honegger
Illustration: Susanne Brem
Der nächste Kafi-Tratsch im Foyer des Kellertheaters Bremgarten findet am Samstag, 26. August um 10 Uhr statt. Eintritt frei – HutKollekte. Reservationen an:
«Meine Lieblingsbahn bleibt der Alpenblitz.»