Warum Renato Bizzotto Musiker wurde und nicht Fussballer erfuhr man am Kafi-Tratsch im Café Spatz in Bremgarten.
Nein, nichts gegen Fussball, aber hätte Renato Bizzotto als junger Mensch nicht die Kurve in die Welt der Musik genommen, dann hätte es vielleicht einen Kafi-Tratsch mit einem Fussballer-Pensionär gegeben … wäre er so bekannt geworden wie jetzt als Oboist. Musik habe er immer machen wollen, meinte Renato Bizzotto, aber natürlich auch Fussballspielen und zwar als Profi. Allerdings habe er als junger Mensch feststellen müssen, dass das auch für ihn ein bisschen zuviel des Guten war ‒ Kanti, Fussball und Musizieren. Nach Abstechern zum FC Wettingen (damals noch ein renommierter Verein erster Klasse) und in die Nationalmannschaft habe er es sich anders überlegt, die Kanti abgeschlossen und sich für die Musik entschieden.Daneben habe er noch in Oberentfelden in der 1. Liga gespielt, denn so gab es wenigstens ein Sackgeld.
Mit einem Lächeln meinte er aber auch, dass das gesundheitliche Risiko zu hoch gewesen sei und immer am Samstagabend eine vergraulte Freundin anzutreffen, weil man ausgeruht an den Match gehen musste und so die Disco ausfiel, hätten sicher mit zum Entscheid Musiker zu werden beigetragen. Und als er im Kantiorchester erstmals die Oboe entdeckt habe, sei für ihn der Entscheid gefallen: «Ich werde Oboist.» Als Grundbasis habe er dann das Lehrerseminar besucht und nebenbei im Geheimen in Luzern Musik studiert.
Shanghai war ein Muss
Danach sei die Zeit gekommen, als freischaffender Musiker das Leben zu gestalten. Er habe in einigen Orchestern mitspielen können, meinte er, aber es habe ja auch nicht unzählig viele gute Oboisten gegeben. Dann sei aus einem lockeren Gespräch mit zwei Kollegen seine erste Reise nach Hongkong entstanden, mit der glücklichen Folge, seiner Frau begegnet zu sein. Wieder zurück sah er im Fernsehen zwei Sendungen über ein Orchester in Shanghai und der Entschluss war gefasst: «Da will ich hin.» Und ganz Renato Bizzotto, er ging für rund fünf Jahre nach China. So ganz einfach sei das natürlich nicht gewesen, denn letztlich sei er einfach ein Ausländer gewesen, den man gerade brauchte. Danach konnte er aber gefälligst wieder gehen. Dank der heimatlichen Beziehungen seiner Frau habe er sich gut zurecht gefunden und sich mit den Chinesen arrangiert. «So konnte ich wie eine Chinese leben und ihre Kultur aus der Nähe kennen lernen.» Das Wichtigste dabei sei immer gewesen, dass das Gegenüber sein Gesicht wahren konnte. So habe er auch gelernt aufgrund der fristlosen Entlassung mit dem Beklagungsbüro ‒ eine einmalige chinesische Einrichtung ‒ zu verhandeln und dies erst noch als erster Ausländer, der dieses aufsuchte und natürlich mit Erfolg. Danach ging es noch für zwei Jahre nach Peking.
Willkommen schon, aber …
Die Jahre in China seien für ihn sehr wertvoll gewesen, wenn man sich auch in einer ganz anderen Kultur, einem Leben geprägt von Tradition, zurecht finden müsse. Renato Bizzotto betonte aber, dass man auch in einer anderen Gesellschaft und Kultur glücklich leben könne. Man müsse nur aufhören zu denken, dass es nur so korrekt sei, wie wir es hier in der Schweiz machen. China sei aber ein rassistisches Land, denn man heisse die Ausländer als Arbeitskräfte, um zum Beispiel das Niveau in einem Orchester zu heben und mehr Ansehen zu erlangen, aber dann könne man wieder gehen. «In China will man kein fremdes Blut integrieren.» Renato Bizzotto pflegt aber nach wie vor musikalische und geschäftliche Verbindungen zu China und hat die Handelsgepflogenheiten der Chinesen längst erlernt und hält sich daran.
Es ist noch nicht genug
Zurück in die Schweiz war ihm klar, dass er als Musiker nie eine finanzielle Sicherheit haben werde. So übernahm er an der SeReal Muri eine Stelle als Fachlehrperson Musik und Italienisch, die inzwischen 50 Prozent beträgt. Daneben baute er seine geschäftlichen Beziehungen im Zusammenhang mit Instrumenten aus und «eilte» als gefragter Oboist von Konzert zu Konzert. Er wollte aber Muri auch weltbekannt machen und initiierte «The Muri Competition», den Wettbewerb für junge Oboisten und Fagotisten. «Dies ist inzwischen weltweit der bedeutendste Wettbewerb in diesem Musikbereich geworden ‒ und darauf bin ich stolz.»
Als ob dies alles nicht schon genug sein könnte, wird Renato Bizzotto mit seinem Ensemble Bizzotto&friends am Classic Festival 2018 in Odessa (Ukraine) teilnehmen.
Man darf gespannt sein, welche Kurve Renato Bizzotto als nächstes nimmt. Das einzig Sichere scheint die Tatsache zu sein, dass er den Entscheid nicht Fussballprofi geworden zu sein nicht bereut ‒ und die Musikwelt ist dankbar dafür.
Richard Wurz
29. April 2018
Bilder: Bettina Leemann
Der nächste Kafi-Tratsch mit einem Überraschungsgast findet am Samstag, 26. Mai, um 10 Uhr im Café Spatz statt.