Ohne Noten geht es auch
Der Kafi-Tratsch war während drei Jahren eng verbunden mit dem Café Spatz in Bremgarten. Da aber (leider) ungewiss ist, wann Barbara Kammermann ihr Café wieder öffnen kann und die Sicherheitsvorkehrungen für einen Kafi-Tratsch umsetzbar sind, machte sich das freiamtplus-Team auf die Suche nach einer neuen Örtlichkeit und stiess bei den Verantwortlichen des Kellertheaters Bremgarten auf ein positives Echo. So konnte der traditionelle Kafi-Tratsch am vergangenen Samstag in sein viertes Jahr starten ‒ und es war ein interessanter Auftakt in die neue Saison mit dem Gitarrenspieler Hans-Ruedi Bossart aus Bremgarten, dem der Moment bedeutender ist, als das Festhalten seiner Musik in Noten.
Ein Spaziergang bringt es
Dem Gitarrenspiel ist Hans-Ruedi Bossart schon Jahrzehnten verfallen, wenn er auch beruflich gesehen Elektroingenieur wurde. Diese Ausbildung trug aber dazu bei, dass er auch ein ausgezeichneter Tontechniker mit einem von ihm erarbeiteten Tonträger unter anderem für Gitarre, Harfe und Streichinstrumente ist. Er betonte aber gleich, dass es für eine optimale Tonaufnahme eines Orchesters nicht unzählige Mikrofoninstallationen brauche, sondern in der Regel ein Mikrofon genüge. «Die Frage ist nicht die Vielzahl der technischen Geräte, sondern der richtige Gebrauch und Einsatz derselben», hielt er überzeugend fest. Des Öfteren sei er mit seiner Art, Tonaufnahmen auf diese Weise zu machen, angeeckt. Dies steckt er mit einem Lächeln weg und bringt es so auf den Punkt: «Mit einem Mikrofon erfasse ich die ganze Stimmung und die Musik des Orchesters und es wird so auch danach noch zu einem Erlebnis.»
Angesprochen woher er seine Inspirationen hole, meinte er, dass es in Bremgarten durchaus so seine Orte habe, wo Ideen einfach so entstehen. Er kam aber gleich auf den wesentlichen Punkt seiner Welt der Inspirationen. «Ich gehe jedes Jahr in die Bretagne in die Ferien und da, und nur da entsteht vieles.» Die täglichen Sparziergänge am Meer, gefolgt von einem Espresso im Bistro im kleinen Dörfchen. Sie sind verantwortlich dafür, dass die Momente zu fliesen beginnen und Neues entstehe.
Vermächtnis oder nicht
Es ist so eine Sache beim Besuch eines Konzerts, wenn man nicht so genau weiss, was auf einem zukommt. Das Werk eines bekannten Komponisten, dessen Musikstil man normalerweise kennt, erleichtert manchmal das Zuhören. Meist kann man sich da Ganze zusätzlich auf einem Tonträger wiederholen lassen und allenfalls sich sogar bei Bedarf die Noten beschaffen. Dies ist allerdings überhaupt nicht die Welt von Hans-Ruedi Bossart. Man beisst fast schon auf Granit bei ihm, wenn es um die Notation von Noten geht. «Ich bin eher ein Notenschreibverweigerer,» meinte er mit einem Lächeln. So war in seinen Augen zum Beispiel Ludwig van Beethoven (1770 bis 1827) ein hochstehender Noten-Schriftsteller, kein eigentlicher Musiker, meinte Hans-Ruedi Bossart etwas zugespitzt. Er, eben Beethoven, überliess die Interpretation seiner notierten Noten den MusikerInnen.
Für ihn ist aber das Erfassen des Moments bedeutender, als diesen nach der Umsetzung in Musik zusätzlich in Noten festzuhalten. «Meine Musik kann ein anderer Gitarrenspieler einfach hören, sie allenfalls aufnehmen und dann für sich umsetzen. Das ist viel mehr, als wenn er ab meinen Noten spielt.» Für Hans-Ruedi Bossart ist es fast eine Gefahr ab Noten zu spielen, denn nach seiner Meinung verliere man dabei das eigene Ich und mache nicht seine Musik, sondern fotokopiere schlicht und einfach das notierte Werk. Seinen eigenen Improvisationen könne man zuhören, sie als Erlebnis in sich aufnehmen und wenn man selber Gitarre spiele, sie auf die eigene Art als Geschichte weiter erzählen.
Also kurz zusammengefasst heisst das: wenn eine Tonaufnahme von der Improvisation nicht vorhanden ist, kann man seinen Enkeln vom musikalischen Erlebnis und vom ausgezeichneten Gitarristen erzählen. Vielleicht stossen diese irgendwo einmal auf eine Interpretation von Hans-Ruedi Bossart gespielt von einem anderen Gitarristen oder Gitarristin. Eine sehr komplexe und nicht einfach nachzuvollziehende musikalische Welt, die Hans-Ruedi Bossart am Kafi-Tratsch skizzierte. Allerdings hat sich das freiamtplus-Team an diesem Morgen zusätzlich abgesichert, denn zum Abschluss spielte Hans-Ruedi Bossart die Improvisation «Kafi-Tratsch» ‒ und die wurde natürlich mit rudimentären Mitteln aufgenommen. Man kann ja nie wissen, ob daraus eine Kafi-Tratsch-Hymne entsteht, die man zum 5-jährigen Jubiläum in Form eines Werbespots einsetzen kann.
Richard Wurz
27. September 2020
Bilder: Bettina Leemann
Der nächste Kafi-Tratsch findet am Samstag, 31. Oktober von 10 bis 11 Uhr im Foyer des Kellertheaters Bremgarten statt.