Die laufenden Diskussionen über die Nachhaltigkeit erinnern an die Geschichte vom «Turm zu Babel» mit der babylonischen Sprachverwirrung – man versteht sich nicht, redet aneinander vorbei und letztlich stürzt der Turm zusammen.
An der Ausstellung «Grand Tour Caspar Wolf» in Muri beziehen sich zwanzig Kunstschaffende in ihren Arbeiten auf das künstlerische Schaffen des Bergmalers Caspar Wolf (1735 bis 1783) und stellen diesem ihre Sichtweise gegenüber. Anlässlich eines Gesprächsforums im Rahmen der Ausstellung, zu dem sich nur sehr wenige Besucher*innen einfanden, hielt Kurator Peter Fischer zu Beginn fest: «Die Vielfalt der Möglichkeiten in der Ausdrucksweise ist so gross, dass es keine Möglichkeit gibt, auf den Punkt zu kommen.» Die Nachhaltigkeit sei sehr wichtig, meinte er, so dass man dran bleiben müsse, denn die Kunst könne etwas leisten und vieles sichtbar machen und bewegen.
Für Künstler George Steinmann (*1950) stehe man jetzt in der Entscheidungsphase, was man von und mit der Natur wolle. Er erinnerte daran, dass im Drei-Säulen-Konzept in Bezug auf die Nachhaltigkeit nur die Zieldimensionen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft verwendet würden und vom Nutzen einer ökonomischen, sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung die Rede sei – die Kultur werde in keinem Wort erwähnt. Dabei sei die Kunst eine Treiberkraft, müsse aber stets in einem Dialog mit der Wissenschaft stehen. Ein Erreichen der Ziele der Agenda 2030 in Bezug auf die Nachhaltigkeit erfordere ein neues Denken und Handeln, so George Steinmnn, und fügte unmissverständlich an: «Die Schweiz ist noch weit weg vom Ziel und mit dem heutigen Denken und Verhalten kann dieses nie erreicht werden.»
Künstler Andreas Weber (*1962), der sich auch mit der Gletschersituation auseinandersetzt, erinnerte daran, dass es letztlich eine Auseinandersetzung sei mit dem, was vorhanden ist. «Je weniger da ist, umso mehr sieht man.» Er glaube aber an die Kraft der Bilder, so dass etwas in Bewegung kommen und bleiben kann. Man müsse aber die Frage, wie man diese Werte weitergeben wolle und die Bevölkerung miteinbeziehen könne, immer erneut stellen. Andreas Weber hielt aber auch klar fest: «Der Kunstschaffende muss seine Freiheit trotz allem bewahren, wenn diese auch in eine utopische Richtung geht.»
Véronique Zussau (*1962) schloss sich dem an und betonte: «Ich will mit meinem Denken in meinen Objekten ein Bild geben, erlaube mir aber die Welt anders zu sehen.» Es sei aber dabei sehr bedeutend, dass man die Welt begreife und sie in die künstlerische Arbeit mit einbeziehe.
Der Dialog sollte von innen kommen
Die Runde war sich einig, dass es auch eine Aufgabe der Kunstschaffenden sei die Leute «draussen» in ihrer Welt abzuholen. Man könne sich durchaus «an der Nase» nehmen, wenn die Leute die Spuren, die man auslegt, nicht verstehen, solange man einfach davon ausgehe, dass diese verstanden werden müssen. So sollte man das Vokabular «drinnen und draussen» vergleichen und in einen Dialog bringen. Andreas Weber brachte es so auf den Punkt: «Wir müssen aus unseren heiligen Hallen hinaus zum Publikum.» Und George Steinmann betonte: «Die Kunst allein genügt nicht, es braucht den Brückenschlag zwischen Wissenschaft, Politik, Bevölkerung und Kunst.»
Richard Wurz
17. Juli 2022
Bilder: Richard Wurz
Die Ausstellung «Grand Tour Caspar Wolf» im Singisen Forum, dem Museum Caspar Wolf und im Kunsthaus Villa Wild dauert noch bis Sonntag, 7. August und ist von Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Weitere Informationen unter www.murikultur.ch