Wir sind niemand, wenn wir nicht wissen woher wir kommen, aber auch wenn wir nicht wissen wohin wir gehen.
Diese interessante Betrachtung wurde anlässlich des Frauenmorgens zum Thema «Wann beginnt die Zukunft?» im Murianer Matterhaus, organisiert von der Vorbereitungsgruppe Frauenmorgen Muri, aus verschiedensten Blickwinkeln unter die Lupe genommen. Historikerin und Germanistin Dr. Ruth Wiederkehr ging mit ihrem Publikum der Frage nach dem Beginn der Zukunft auf den Grund und diskutierte mit diesem den Umgang mit der Zeit, sowie die Unsicherheit in Bezug auf das, was uns erwartet. In der Ethik spreche man von der nahen Zukunft, der ferneren Zukunft oder der fernen Zukunft, müsse sich aber gleichzeitig fragen, ob diese wirklich so weit weg oder manchmal ganz nahe sei, erläuterte Ruth Wiederkehr.
In verschiedenen Kulturen und Sprachräumen habe das Wort «Zukunft» eine differenzierte Bedeutung. So heisse «Zukunft» in Deutsch, Französisch und Italienisch eigentlich «was auf uns zukommt», in den nordischen Sprachen «Zeit, die vor uns liegt», im Lateinischen und Englischen «was dann oder dort ist» und im Spanischen schlicht «Aktualität». Ruth Wiederkehr spannte einen faszinierenden Bogen, der die Zukunft aus sprachlicher, philosophischer und ethischer Sicht erklärte, warf mit ihren ZuhörerInnen einen Blick auf dieselbe in Bezug auf Literatur, Politik und Wissenschaft und erörterte mit ihnen abschliessend welche Erwartungen und Ideen sie selber in Bezug auf die Zukunft haben.
Zukunft vorstellen und entwerfen
Anhand verschiedenster Zitate von Philosophen und Literaten machte Ruth Wiederkehr deutlich, wie wichtig es für uns ist, die Zukunft vorzustellen und uns diese zu entwerfen. Der Mensch schöpfe Sinn aus dem, wie er sich die Zukunft vorstelle, wobei diese Vorstellung auf dem eigenen Erfahrungsschatz gründe. Er konstruiere sich die Zukunftsvorstellungen auf Basis der eigenen Realität, auf Erwartungen, Erfahrungen, dem eigenen Wirken und Handeln, wobei die Vergangenheit sehr persönlich gefärbt sein könne. Der Mensch neige nämlich dazu, sich so zu erinnern, wie es für ihn persönlich stimmig sei. Die Ethiker stellten hingegen die Frage: «Wie sollen wir uns heute verhalten, damit nachfolgende Generationen einen ähnlichen Lebensstandard geniessen können?» Eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen sei dabei ebenso im Fokus wie Verantwortung zu übernehmen. Die ethische Diskussion drehe sich also um die Begriffe Verantwortung, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, was letztlich in einem veränderten Konsumverhalten resultieren müsse.
Zukunftsgestaltung bedingt Vergangenheit
Um die Zukunft gemeinsam zu gestalten, brauchen wir die Erfahrungen aus der Vergangenheit, denn sie seien die Grundlage, auf der wir Vorstellungen über die Zukunft überhaupt entwerfen können. Wenn man die Industrialisierung betrachte, könne man mit der Erfindung der Dampfmaschinen, der Elektrifizierung und schliesslich der Informatik drei entscheidende Abschnitte beschreiben. Aktuell befinden wir uns im vierten Abschnitt, der Digitalisierung auch Industrie 4.0 genannt. Die Digitalisierung verändere alles, insbesondere die Arbeitswelt. Man müsse sich heute im Hinblick auf die Zukunft damit befassen, wie man die Arbeitnehmer schulen könne, um den Anforderungen einer digitalisierten Welt gewachsen zu sein. Und doch ist letztlich jegliche Vorstellung der Zukunft hypothetisch. Man kann sie wohl in Szenarien denken, wird sich jedoch immer wieder von der Gegenwart überraschen lassen müssen.
Susanne King
5. November 2017
Bild: Susanne King