Die Kultur des Schweigens.
Man kann, muss aber nicht, über die Grenzen blicken, denn auch in diesem unserem Land leidet ein Teil der Männergesellschaft an Überheblichkeit, verletzt die Menschenwürde und masst sich noch an, mit saloppen Sprüchen die ganze Angelegenheit zu verniedlichen. Am Liebsten ist es ihnen alles unter den Teppich zu kehren und wenn es anders nicht mehr geht, die Gegenseite zumindest als mitschuldig zu bezeichnen. Aus kirchlichen Kreisen, Heimen, Internaten und überall von da wo Kinder betreut und gefördert werden, wissen wir es längst, dass sexueller Missbrauch schon fast zum Alltag gehört hat und immer noch Tatsache ist.
Nun ist scheinbar die Kultur des Schweigens gebrochen, denn dieser menschenverachtende Misstand hat nun endgültig die «classe politique» auch hier zu Lande erreicht. Dass einige selbstsichere Frauen genug vom Schweigen und Erdulden haben und sich äussern, könnte ein Ansatz sein ‒ nur müssen sie dies aus Angst vor Repressionen anonym tun. Das spricht nicht gerade für ein Parlament, dem eigentlich die Menschenwürde das oberste Gebot sein sollte. Ja, sie sind sicher in der Minderheit, die Männer, die sich das anmassen ‒ allerdings bleibt die Frage, wie gross diese propagierte Minderheit ist, wenn täglich immer mehr Frauen die Kraft haben sich zu äussern. Beschämend kommt dazu, dass die sogenannten Volksvertreter zu Bern nun noch ein Merkblatt brauchen, damit sie sich schlau machen können, was eine wohltuende sympathische Begegnung oder sogar ein Flirt mit einer Frau ist und wann die sexuelle Belästigung beginnt ‒ na dann, noch eine schöne Adventszeit.
Richard Wurz
19. Dezember 2017
Bild: zVg