Liebes Christkind es tut mir leid, aber ich fürchte ich muss dich auch dieses Jahr enttäuschen.
Es ist nichts mit Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Wobei letzteres dürfte wohl schon zutreffen. Die Menschen sind sich nach wie vor sich selber am Nächsten. Auch auf die Kinder kannst Du längst nicht mehr zählen. Die sind so beschäftigt in der Schule, dass sie von Weihnachten und Advent kaum etwas mitbekommen. Bis in die letzte Sekunde werden da Prüfungen geschrieben, dazwischen aus reinem Pflichtbewusstsein noch eine Bastelstunde oder ein paar Weihnachtslieder eingeflochten, aber bitte ja nicht zu viel, denn Schule ist heute «konfessionell neutral».
Bei den Erwachsenen, Du kannst es Dir ja denken, sieht es nicht besser aus. Da wird Krieg geführt, Flüchtlinge werden von A nach B verschoben, denn mit diesem Problem will man sich bitteschön vor Weihnachten nicht auch noch beschäftigen. Damit das schlechte Gewissen nicht ganz so gross wird, spendet man am einen oder anderen Ort «grosszügig» und reserviert sich damit einen Platz bei Dir im Himmel. Geschenke gibt es jedes Jahr vor allem für die, die es haben und bei den anderen schliesst man müde die Augen.
Ach liebes Christkind, schüttle die Welt doch einmal kräftig durch und verteile den Wohlstand etwas ausgeglichener. Aber es ist halt tatsächlich so, dass wer die Brücke nicht sehen und begehen will, niemals auf der anderen Seite ankommt und nicht versteht, dass es auch drüben durchaus schön sein kann. Es würde wohl kaum helfen, wenn Du auf die Erde kommen würdest ‒ so bleibt die Hoffnung, dass Du Dich auch dieses Jahr nicht enttäuschen lässt und uns Menschen weiterhin treu bleibst.
Bettina Leemann
21. Dezember 2017
Bild: Bettina Leemann