18. Dezember – Eine seltsame Zeit
«Die Liebe ist der holde Baum der Ewigkeit. Immer neigt er über uns seine strahlenden Zweige - uns Weihnacht in Gold und Silberschaum zu pflücken.» (Else Lasker-Schüler 1869 bis 1945)
Weihnachten, das Fest der Liebe, das Fest von gemeinsamen Momenten und Stunden, der Musik – eigentlich….denn dieses Jahr ist alles anders. Wir werden nicht wie sonst mit dem Bachschen Weihnachtsoratorium in einem Konzert zum Jauchzen und Frohlocken angeregt, die Pauken und Trompeten bleiben still. Eine seltsame Zeit, diese Weihnachtszeit, eine sehr Stille.
Da ist es schön, auf die leisen Töne zu hören, die man in der anderen, der Musik so nahen und oft Grundlage bietenden Kunst, der Lyrik finden kann. Man kann sich den Wortmelodien hingeben, dem Sprachrythmus Raum geben, dem Klang der Pausen lauschen – eine Entdeckungsreise der ganz anderen Art zu Weihnachten.
Else Lasker-Schüler ist so eine (Wieder-) Entdeckung. In ihren Worten entstehen aus den Silben Töne, aus den Buchstaben werden Noten, die dem Gesagten einen Zauber geben, der den Inhalt noch seelenvoller und unmittelbarer ins Herz zu legen vermag. Nicht ohne Grund ist diese Ausnahmegestalt der deutschen Literatur doch Zeit ihres Lebens weit mehr gewesen als Dichterin. Sie war Künstlerin, Malerin, leidenschaftliche Briefeschreiberin und galt in ihrer Unbedingtheit als einzigartig. Für viele ihrer expressionistischen Zeitgenossen, denen sie allen einen eigenen, liebevollen Kunst-Namen gab, war sie eine nicht endendwollende Muse und Komplizin.
Bis heute haben rund 450 Komponisten Else Lasker-Schülers Gedichte vertont, auch hier zeigt sich die Musikalität ihrer Sprache, ihres Seins. Gerade weil sie einem breiteren Publikum fremd blieb – wie so viele Schriftsteller, die ins Exil gezwungen wurden – ist diese momentan so stille Zeit ein Moment, die Klänge und das Leben dieser Poetin zu entdecken.
Stefanie Braun
Künstlerhaus Boswil:
Leitung Akademie für Neue Musik / Kinderkonzerte
Künstlerische Co-Leitung / Projektmanagement Jugend-Sinfonieorchester Aargau JSAG
18. Dezember 2020
Bild: Bettina Leemann