3. Adventssonntag ‒ Auf dass man die Schatten sieht
Das Lichtermeer in der Adventszeit lässt das Land in einem strahlenden Licht erscheinen, das an die festliche und besinnlich sein sollende Zeit vor dem Weihnachtsfest erinnern und uns darauf einstimmen soll. Das soll so sein, wenn es auch vieler Orts in den Strassen, an den Häusern, in den Gärten und wo auch immer etwas zu viel ist. Diesen Tausenden von Lichtern gelingt es sogar dabei den Schatten zu zudecken ‒ dieser soll ganz im Sinn der Adventszeit weg sein, man will ihn für einen Moment nicht sehen.
Da kommt mir eine Szene in der Dreigroschenoper von Schriftsteller Bertolt Brecht in den Sinn. Da steht im Moritat von Mackie Messer: «Und der eine steht im Dunkeln und der andre steht im Licht, und man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.»
Es sei allen Menschen gegönnt, während des ganzen Jahres im Licht leben können, das nicht zu viele Schatten wirft. Natürlich müssen sie da und dort Abstriche machen, die aber verkraftbar sind. Doch so wirklich zufrieden sind sie vielfach nicht, denn es fehlt ja immer irgendwo irgendwas und das Lichtermeer erinnert an die Geschenke, die zu machen sind, was wiederum das Budget strapaziert und die Zufriedenheit nicht zwingend verbessert.
Mit Verlaub sei aber die Frage gestellt, wie es jenen Menschen geht, die ihren Alltag jahrein, jahraus im Schatten gestalten müssen und eigentlich vom Lichtermeer eher erdrückt werden. Sie werden auch in diesen Tagen sehen müssen, dass es einfach für das Leben reichen muss und weiter versuchen müssen, mit ihrem Alleinsein und der damit einkehrenden Einsamkeit zu Rande zu kommen. Natürlich werden sie in unserem Lande nicht allein gelassen, man bietet ihnen Unterstützung und Hilfe an, aber letztlich lässt man sie im Dunkeln stehen.
Als Weihnachtswunsch bleibt ihnen der Trost und die Hoffnung, dass nach dem Verlöschen des Lichterglanzes die Schatten wieder sichtbar werden ‒ auch sie.
Richard Wurz
15. Dezember 2019
Bild: Richard Wurz