4. Dezember – Jemandem einen Bären aufbinden.
Seit eh und je ist für mich die Adventszeit geprägt von Geschichten, Märchen und Fabeln. Daher lösen meine Erinnerungen an die Vorweihnachtswochen farbige, lebhafte und auch schaurige Bilder aus. Eine meiner Lieblingsgeschichten handelt von einem kräftigen Bär im Winterwald. Diese möchte ich hier aufschreiben. Doch da tauchen Fragen auf. Kann ich diese Geschichte originalgetreu wiedergeben? Habe ich mir diese Erzählung nach all den Jahren so zusammengestellt wie sie mir selber am besten gefällt, so wie sie in meiner Erinnerung lebt? Ist das Verfälschung vom Text des Autors? Würde ich damit den Lesern einen Bären aufbinden?
Was heisst überhaupt «einen Bären aufbinden»? Kommt dieser Ausdruck aus jener Zeit, als Bären gejagt, getötet, schlussendlich an Holzpfählen aufgebunden und abtransportiert wurden? Eine Recherche hat folgendes ergeben: Herkunft: Für die Entstehung dieser Redensart gibt es mehrere Erklärungen. Zunächst geht das Wort «Bär» auf den alten Ausdruck «bar» zurück, was «Last» oder «Abgabe» bedeutete. Früher haben Jagdgesellen als Pfand für ihre Zechschulden einen «bar», also einen Bären an der Theke angebunden. Jemandem etwas aufbinden wurde bereits damals mit «Lügen» gleichgesetzt. Aus der Kombination dieser beiden Ausdrücke entstand schließlich «jemandem einen Bären aufbinden». Der Bär symbolisiert dabei die Schwere und die Last der Lüge, die so groß ist, dass die Lüge eigentlich offensichtlich ist.
Daher, lasse ich nun «das Bären aufbinden» und wechsle zu einem Stimmungsbild, zu meinem inneren Fotoalbum, das ich selbst entwickelt und zusammengestellt habe. Somit gebe ich niemandem keine Verfälschung weiter.
Die Heliomaltdose! Ja genau die Heliomaltdose mit ihrem feinen Inhalt. Dieses hochwertige Getränk aus Weizen- und Gerstenbestandteilen, vermischt mit Milch, war ein wichtiger Bestandteil auf unserem Frühstückstisch. Als in den 1960er Jahren die Kartonhülle der Dose mit festlichen, weihnachtlichen Sujet geziert wurde, und diese Banderole ablösbar war und in der Mitte dieses Rondels eine kleine Kerze platziert werden konnte, mauserte sich diese Neuerfindung zu einer meiner Lieblingsadventskalendern. Die einfachen Sujets, die beim täglichen Türchenöffnen zum Vorschein kamen, lösten bei mir eine Faszination aus. Klar, tagsüber nicht so stark, denn alles was zum Vorschein kam, war leblos und matt.
Aber am Abend, wenn das eine kleine Kerzenlicht angezündet wurde, leuchteten diese Fensterchen hell. Es schien mir als bewegten sich auf einmal all die Schlitten, Zimtsternen, Tannzapfen, Glöcklein.... Es entstand ein froher Tanz im Lichterkranz! Auf einmal wurde diesen einfachen Weihnachtssujets Leben eingehaucht. Leise konnten sich meine eigenen Geschichten dazu bilden. Den Heliomalt-Adventskalender gibt es nicht mehr. Doch das feine Kerzenlicht besteht immerzu und überall.
Und... es vermag mich noch heute mit Leichtigkeit in eine magische, lichtvolle Welt der Stille und der Fantasie entführen.
Anna Hegi
Museumspädagogin / Kindergärtnerin, Sarmenstorf
4. Dezember 2020
Bild: Anna Hegi