Das Jahr 2018 ist noch keinen Monat alt, aber den Begriff «abspecken» würde ich jetzt schon als Unwort des Jahres vorschlagen.
Angefangen beim Winterspeck, der sich über die Weihnachtstage angesammelt hat, bis hin zu Betrieben, die wirtschaftlicher und effizienter werden müssen. Überall wird in den letzten Tagen und Wochen dieser Begriff nur allzu gerne bemüht. Und mit Verlaub werte Leserschaft, ich mag das Wort nicht mehr lesen. Was heisst denn schon abspecken? Wer entscheidet denn, was Speck ist und was nicht?
Bei der eigenen Figur, so hofft man zumindest, ist man es selber, der entscheidet, ob denn die Befindlichkeit stimmt oder nicht. Wobei so ganz stimmt das denn doch nicht. Wenn Bemerkungen aus dem nächsten Umfeld zur Figur fallen oder man in der Werbung, mit der man tagtäglich konfrontiert ist, suggeriert bekommt, dass nur ultraschlanke Menschen erfolgreich und gefragt sind, kommt man bei der Aussage, dass Herr oder Frau selbst über ihr Aussehen entscheiden, bereits ins Grübeln. Dabei sollte es doch oberste Priorität haben, dass man sich so wie man ist wohlfühlt und sich selbst auch hübsch findet.
Aber eigentlich wollte ich gar nicht über diesen Speck schreiben, sondern vielmehr über denjenigen im übertragenen Sinne. Sprich in der Wirtschaft und bei staatlichen Betrieben. In der Privatwirtschaft geht man grundsätzlich einmal davon aus, dass sich die Unternehmen von selbst kontrollieren und nicht allzu viel Speck ansetzen. Bei den staatlichen Betrieben ist das etwas anderes. Diese Betriebe haben die Schwierigkeit, dass die Allgemeinheit ‒ die Gesellschaft ‒ der Meinung ist, dass sie genau wisse, wie etwas zu laufen habe, und was denn schliesslich effizient und nachhaltig sei. So kann man mitverfolgen, wie praktisch täglich Leistung abgebaut wird, sprich der Speck kommt weg und dies zum Vorteil des Unternehmens, das schreibt nämlich deutlich Gewinne und zum Nachteil des Kunden, denn dieser bekommt immer weniger. So kann ich beispielsweise seit Wochen erleben, wie meine Postzustellung praktisch von Tag zu Tag zu einem anderen, einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Eines dieser Unternehmen, das deutlich abgespeckt hat. Längst muss man die Poststelle in den einzelnen Dörfern suchen. Bei den meisten hat man die Agentur in den Dorfladen verlegt. Praktisch, weil man von längeren Öffnungszeiten profitiert, unpraktisch aber, wenn man die Kassierin regelmässig bemühen muss, ein Paket zu suchen, das sich schliesslich wieder kaum einscannen lässt und die «normale» Kundschaft wartet hinten etwas genervt. Vielleicht sollte ja in diesem Bereich noch weiter abgespeckt werden. Ich schlage vor, dass es zentrale, persönliche Briefkästen gibt. Gab es bereits einmal, ich weiss die Postfächer, aber auch diese werden immer mehr abgeschafft.
Nun soll es aber in den nächsten Wochen und Monaten einem weiteren grossen Betrieb an den Kragen. Sie kommen bestimmt drauf; oder? Ja, ich spiele auf No-Billag an. Auch hier scheint Frau und Mann auf der Strasse genau zu wissen, wo denn wirklich abgespeckt werden soll, was relevant und unrelevant ist. Dass gewisse Häuser schlichtweg zu viel Geld für scheinbar zu wenig Service bekommen. Nun das ist recht einfach gesagt und lässt sich bestimmt eindrücklich demonstrieren. Aber, es fehlt schlichtweg die Gesamtübersicht. Wenn diese Gelder alle eingespart werden, dann fällt nicht nur bei den sogenannt «Grossen» Geld weg, sondern man nimmt auch sogenannten Nischenprodukten die Luft zum Atmen. Die Vielfalt wird leiden und der Einheitsbrei in der Welt der Medien noch grösser. Auf diesen «Speck» möchte ich im Sinne der Meinungsvielfalt, die ja unsere Schweiz gerade so besonders und stark macht, auf keinen Fall verzichten, denn etwas Speck auf den Rippen isoliert bekanntlich gut gegen Kälte und Angriffe von Aussen und das kann jeder gebrauchen.
Bettina Leemann
18. Januar 2018
Bild: zVg