Das Streben nach dem Paradies der Perfektion und Makellosigkeit ist ein so langweiliges Leben ...
... denn das wirklich interessante Leben beginnt doch erst mit einem kapitalen Fehler. Das kann man in der Bibel nachlesen, wenn vom zwangshaften Wegziehen von Adam und Eva aus dem Paradies die Rede ist. Wo wären wir hingekommen, müssten wir immer in den einstigen paradiesischen Um- und Zuständen leben. Natürlich wurde die Welt in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder durcheinander gewirbelt, aber wie der Lauf der Zeit deutlich macht, lernte man nicht gerade viel aus den kapitalen Fehlern. Man hat diese, welche ja immer die anderen machen, zielgerichtet genutzt die eigenen Machtverhältnisse auszubauen.
Doch verlassen wir die grosse Weltpolitik und kehren einfach in den Alltag zurück. Es hat sich doch langsam, aber sicher eingeschlichen, dass jedeR sich makellos im privaten, gesellschaftlichen und beruflichen Leben zu verhalten hat. Der massive Leistungsdruck auf Jung und Alt muss goutiert und die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden hingenommen werden. Diese stets wachsenden Forderungen nach Perfektion führen zu permanenten Schuldzuweisungen und lösen Schuldgefühle aus, die letztlich eine miserable Atmosphäre in den zwischenmenschlichen Beziehungen verursachen. Allfällige Fehler sind nicht zulässig, Makellosigkeit ist gefordert.
Für den Mann steht die berufliche und teils politische Entwicklung im Vordergrund und natürlich die finanzielle Sicherung von Staat und Familie ‒ und wenn noch ein wenig Zeit übrig bleibt das aktive Teilnehmen am Familienleben. Sie nehmen für sich in Anspruch alles richtig zu machen. Dies im Gegensatz zur Frau, die neben Familie, Kinder, Haushalt und Beruf sich stets der Frage ausgesetzt sieht, ob sie denn überhaupt in der Lage und fähig ist, alles richtig machen zu können.
So ist eine Gesellschaft gewachsen, die auf dem höchsten Niveau zu jammern weiss, stets von den anderen fordert alles richtig zu machen und Fehler geflissentlich unter den Teppich zu kehren weiss. Es ist schon fast eine Form von Diktatur der Nörgelei, der Forderung nach Perfektion und den Alles-Richtig-MacherInnen. Damit dies funktioniert, sind auch unzählige Angebote auf dem Markt, wie man denn selber dieses Ziel erreichen kann. Es ist aber längst bekannt, dass diese Kurse eigentlich nicht viel nützen, sondern die Unzulänglichkeiten nur kaschieren. Dabei würden gerade diese, liesse man sie offen zu, zu mehr Toleranz beitragen und den Blick in den Spiegel vergessen lassen, denn man wüsste, dass man mit seinen eigenen Fehlern nicht alleine dasteht.
Richard Wurz
13. Juli 2017
Bild: Richard Wurz