Alles auf Anfang, wenn das tatsächlich möglich wäre, was würden wir denn ändern?
Die Natur macht es uns Jahr für Jahr vor. Immer im Herbst zieht sie sich zurück. Doch bevor sie das tut, erstrahlt sie noch einmal in allen Farben und lässt uns träumen von warmen Sonnenstrahlen und lauen Nächten. Es ist jedes Mal wie ein letztes Aufbäumen mit aller Kraft, das grosse Finale, bevor der Vorhang fällt.
Wenn ich dann durch die raschelnden und bunten Blätter schreite und mich ob den vielen Farbtönen, die von gelb bis rot und braun reichen erfreue, wenn letzte bunte Beeren an den Sträuchern die Vögel und Kleintiere anlocken, dann zeigt uns die Natur noch einmal mit aller Deutlichkeit, wie reich die Ernte doch ist und wie verschwenderisch auch sie damit umgehen kann. Der Herbst ist ein vortrefflicher Malermeister und er macht mich Jahr für Jahr immer wieder sprachlos. Wie wäre es wohl, wenn wir Jahr für Jahr zurück auf Anfang drücken könnten? Würde das aus uns zufriedenere und ausgeglichenere Menschen machen? Würden wir unser Leben anders leben, wenn wir wüssten, dass es eine Repeat-Taste gibt? Schwierige Fragen, auf die auch ich keine Antwort weiss, auf die auch Sie, werter LeserIn, selbst eine Antwort finden müssen.
Es ist das beliebte Spiel mit was wäre wenn? Eine unendliche Sache, die sich nicht abschliessend beantworten lässt. Auch wenn uns in unseren Breitengraden die Natur glauben lässt, dass sie im Winter alles auf Null setzt, ist das auch bei ihr nicht so der Fall. Sie befindet sich keinesfalls in einer endlosen Zeitschlaufe, denn auch die Natur entwickelt sich Jahr für Jahr weiter ‒ auch in der Natur verläuft jedes Jahr etwas anders. Und der Baum, der Strauch und das Tier werden immer wieder ein Jahr älter. Also ist nichts mit ewig jung und nochmals von vorne beginnen können.
Aber Halt! Das möchte ich gar nicht, aber manchmal wäre es schon ganz nett, wenn man ein wirklich gutes Jahr einfach ein zweites Mal erleben könnte, oder einen Fehlentscheid dank der Wiederholungtaste rückgängig machen könnte. Aber Hand aufs Herz mit der Zeit wäre das doch ganz schön langweilig. Wir Menschen leben doch gerade davon, dass sich immer wieder mal etwas ändert, dass wir neuen Mut schöpfen und etwas Neues wagen, ohne dass wir vorher wissen, wie es ausgehen wird. Vielleicht ist das bei der Natur im Herbst nicht anders. Sie fällt den Entscheid sich von allem Ballast zu befreien und sich eine Ruhepause zu gönnen, um dann mit neuer Kraft wieder zu starten und vielleicht das Eine oder Andere ganz anders zu machen.
Vielleicht ist das die Aufforderung an uns, zwischen einzelnen Lebensphasen sich immer mal wieder auf das Wesentliche, auf die Grundbausteine zurück zu besinnen und zu regenerieren, um dann mit voller Kraft wieder zu starten und Neues zu wagen ‒ nicht die Wiederholungstaste drücken, denn wer will schon ein so langweiliges Leben verleben?
Bettina Leemann
19. Oktober 2017
Bild: Bettina Leemann