11. Dezember ‒ Macht das der Advent?
Jeden Tag gehe ich mindestens dreimal ins Badezimmer. Und kaum ist Dezember, schaut mich von einer Bodenplatte plötzlich ein Gesicht an. Ich blinzle. Das Gesicht ist immer noch da. Und daneben gleich noch eines. Liegt das am Licht, das viel diesiger durchs Fenster scheint als sonst? Schaue ich genauer, weil das Licht weniger ist? Oder bringt genau das wenige Licht die Konturen hervor?
Ich schaue wieder auf den Boden. Drehe mich langsam um die eigene Achse. Immer mehr Gesichter und Figuren schauen mich an.
Und jetzt fangen die auch noch an, miteinander zu reden, zu spielen und zu tanzen.
Haben am Ende die alten Geschichten Recht, wenn sie davon berichten, dass in der Weihnachtszeit alles und jedes mit Leben erfüllt ist?
Bevor ich ganz konfus werde, hole ich schnell meinen Fotoapparat. Gott sei Dank! Ich spinne nicht! Ich kann die Gesichter und Figuren auch auf den Fotos ganz genau erkennen. Zu sehen ist auch, dass alle sehr lebendig zu sein scheinen. Sie sind im regen Austausch miteinander. Ich habe gar nicht gewusst, dass bei uns zu Hause sogar die Bodenplatten im Badezimmer kommunikationsfreudig sind. Mich nimmt schon wunder, was die Figuren alles miteinander reden und machen.
Wunder, Gwunder – schon wieder so richtige Adventswörter! Wie das wohl enden wird? Ich spitze meine Ohren. Und dann höre ich ganz genau, was sich die drei, die da so ziemlich nahe beieinander sind, erzählen …
Irene Briner
Erzählerin, Kulturvermittlerin, Bellikon
11. Dezember 2019
Bild: Irene Briner