Was ist los in der politischen Landschaft Europas im aktuellen Wahlherbst?
«Wir werden sie jagen», rief AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland seinen Parteifreunden am Wahlsonntag zu und meinte damit den politischen Gegner. Währenddessen rieben sich die klaren Verlierer CDU/CSU und SPD noch immer ungläubig die Augen und Regierungschefin Angela Merkel bemerkte konsterniert «Ich weiss eigentlich nicht, was wir hätten anders machen können.» Es ist ein Rechtsrutsch zu verzeichnen, wie ihn Deutschland so wohl nicht erwartet hatte. Die AfD zieht mit 12.6 Prozent und damit 94 Sitzen in den deutschen Bundestag ein, begleitet von einem unerwarteten Nebengeräusch. Frauke Petry, Fraktionsvorsitzende der AfD, nutzte die Wahl-Pressekonferenz um ihren Rücktritt bekanntzugeben. Interessantes Detail am Resultat der AfD, viele WählerInnen hatten der Partei ihre Gunst nicht aus Überzeugung, sondern aus Enttäuschung geschenkt.
Im benachbarten Österreich wird zeitgleich Sebastian Kurz, Spitzenkandidat der ÖVP, in einer Facebook-Kampagne verunglimpft. Wenn man den Berichten glauben darf, wurde die Schmutzkampagne durch einen Exponenten der regierenden SPÖ inszeniert. Viel Schaden wird sie Sebastian Kurz bis zur Wahl nicht zufügen können. Schaden wird sich die SPÖ dadurch nur selbst. Im südlichen Europa kämpfen die Katalanen in Spanien um ihre Unabhängigkeit, weil sie die Bevormundung aus Madrid nicht mehr länger dulden wollen. Die spanische Regierung versuchte zwar mit massivem Polizeieinsatz den Zugang zu Wahllokalen zu unterbinden, konnte viele WählerInnen jedoch nicht davon abhalten, ihre Stimme abzugeben.
Wie unspektakulär, ja fast langweilig mutet in diesem polternden europäischen Umfeld die Bundesratswahl in der Schweiz an. Das Parlament wählte im September einen Ersatz für den scheidenden FDP-Bundesrat Didier Burkhalter. Der Anspruch der FDP wurde zu keiner Zeit infrage gestellt. Einzig spannende Sequenz dabei war die immer wieder diskutierte Frage, ob man sich für eine Frau oder einen Tessiner entscheiden oder vielleicht doch einfach die für die Regierung beste Wahl treffen sollte. Quoten hin oder her, bereits im zweiten Wahlgang setzte sich der Tessiner Ignazio Cassis gegen seine Konkurrenten Isabelle Moret und Pierre Maudet durch. Wenn im Wahlkampf kurz über die finanzielle Situation einzelner Kandidaten berichtet wurde, war dies auch schon das gesamte Ausmass an vermeintlich Skandalträchtigem. Langweilig? Kann sein, doch auch wohltuend pragmatisch. Möglicherweise geht es der Schweiz ja gerade deshalb so gut, weil nebst allem populistischen Gepolter Einzelner letztlich doch Besonnenheit die politische Arbeit bestimmt. Vielleicht auch, weil mehrheitlich Berufsleute und nicht ausschliesslich Berufspolitiker die Geschicke des Landes lenken.
Und gerade in solchen unspektakulären, besonnenen Momenten passt das Bild der «Schweiz als Insel inmitten Europas» nahezu perfekt. Ja, geschätzte LeserInnen, wir leben vielleicht doch auf einer Insel.
Susanne King
3. Oktober 2017
Bild: Theres Honegger