Die Ferienzeit geht zu Ende und es sind nur gerade sechs Ansichtskarten eingetroffen ‒ das macht einem nachdenklich.
Es sei eingestanden, dass ich unheimlich gerne Ansichtskarten aus allen möglichen Ecken dieser Welt erhalte, denn so lassen mich die an alle möglichen und unmöglichen Orte Reisenden an ihrem Glück teilhaben. Und ich kann mir sicher sein, dass ich, in Gedanken versunken, sie auf der Gasse nicht grüsse, weil ich nicht mag, sondern es gar nicht kann, sind sie doch gar nicht da. Nein, sie haben einem nicht vergessen und denken, man begegnet sich ja wieder und wollen nicht mit einer Ansichtskarte einem in der heimatlichen Ruhe stören. Natürlich erhält man heute nach neuer Technologie manchmal ein Bild via WhatsApp ‒ aber was ist das schon für ein Ersatz. Man kann nicht den Briefkasten öffnen, sich darüber freuen eine richtige Karte mit Bild in den Händen zu halten und sich vorstellen, wo sie denn sind. Ja, dass es da, wo sie sind, durchaus auch schön sein kann, nicht nur hier zu Hause.
Nein, liebe LeserInnen, ich bin nicht in eine Depression gefallen und habe auch nicht den viel zitierten «Herbst-Blues» jetzt schon eingezogen, aber es werden so Erinnerungen wach. In den jugendlichen Jahren war es ein Pflicht, bei Ferienabwesenheit möglichst rasch eine Karte nach Hause zu schicken. Ja, der Vater gab einem sogar ein Extra-Taschengeld mit für die Karte und das Porto. Zu meiner Schande sei angefügt, dass ich es vor lauter Freude einmal (und nie wieder) im Ferienlager vergessen hatte, eine Karte zu senden ‒ eine mittelgrosse Schelte inklusive Rückgabe des Geldes für Karte und Porto war das Resultat bei meiner Rückkehr. Nun ist vielleicht verständlich, woher meine Beziehung Ferien und Ansichtskarten in ihrem Ursprung zu finden ist.
Nun will ich aber eingestehen, dass ich selber auch nicht viel zur Besserung meiner melancholischen Ansichtskartenstimmung beigetragen habe. Ich hätte es wissen müssen, dass das auf mich zukommt. Aber in meinen herrlichen Ferientage ‒ mehr als acht Tage an einem Stück‒ habe ich es wohl verdrängt und mir selbst keine Ansichtskarte gesandt. Natürlich weiss ich noch genau, wo ich und wie schön es war. Aber nach Hause kommen, den Briefkasten öffnen und eine Karte herausfischen können, von da wo man war, wäre schon ein spezielles Erlebnis gewesen. Die erholsamen Ferientage vergesse ich nicht, aber die Karte vermisse ich schon ein bisschen.
Richard Wurz
3. August 2019
Bild: Richard Wurz