Das musste ja kommen, wird wohl jetzt der eine oder andere LeserIn so im Stillen bei sich denken. Aber keine Angst, ich werde mich möglichst hüten, moralisierend oder wertend zu schreiben.
Lassen Sie mich doch einfach einmal davon erzählen, wie ich als Frau diese Geschichte erlebt habe. Grundsätzlich war ich damals in den 90er Jahren, als es zum Frauenstreik kam, noch zu jung, um dabei mitzumachen, geschweige denn bereits ein politisches Interesse in diese Richtung zu haben. Also könnte man schlichtweg behaupten, dass ich gar nicht mehr weiss, wie das denn so war. Doch halt, dieses Vorurteil ist zu rasch gefällt. Aufgewachsen bin ich in einer Familie, in der die Rollen ganz klar nach dem klassischen Vorbild verteilt waren. Die Mutter blieb zu Hause und der Vater ging zur Arbeit und sorgte für das Geld. Da ich nur mit Schwestern aufwuchs, musste ich mich nie gegen einen Bruder durchsetzen. Doch meine Eltern haben mich und meine Schwestern nie merken lassen, dass wir «nur» Mädchen sind. Wir sind also ohne jegliche Wertung in diese Richtung aufgewachsen. Auch meine Grosseltern waren frei von diesem Denken und so wuchs ich wohl in einem sehr offenen Umfeld auf. So durfte ich beispielsweise bei meinem Grossvater lernen, wie man mit Hobel, Schnitzmesser und anderen Werkzeugen umgeht und meine Eltern ermöglichten mir aufgrund meiner Fähigkeiten den Schulbesuch bis hinauf an die Mittelschule und später zum Studium. Es war nie eine Diskussion, dass ein Mädchen das nicht erreichen kann oder gar kein Recht für diese Ausbildung hat.
Das hört sich jetzt alles wunderbar harmonisch an, ist es allerdings nicht in allen Bereichen. Mit der Entwicklung meiner politischen Wahrnehmung wurde ich dann in späteren Jahren doch mit den Fragen der Gleichberechtigung und Gleichstellung konfrontiert. Ich kann mich an einige hitzige und heftige Diskussionen erinnern, wenn es beispielsweise um die Einführung des Mutterschaftsurlaubs ging. Wir waren uns längst nicht alle einig in der Familie und ich wurde öfters mit dem Titel der Emanze bedacht, den ich so gesehen gar nicht verdiene, denn ich habe nie aktiv gekämpft. Ausserdem wählte ich mit meinem Engagement im Journalismus ein berufliches Umfeld, das zu einem grossen Teil von Männern geprägt war. Es gab einige Medienkonferenzen oder andere Anlässe, wo ich als einzige weibliche Journalistin auf dem Platz war und mir den einen oder anderen faulen Spruch anhören musste.
Alle diese Erfahrungen prägten mich und liessen mich einen eigenen Blick auf die Gender-Frage gewinnen. Noch heute bin ich der Meinung, dass die Arbeit der Frauen zu wenig geschätzt wird. Dass sie für gewisse Dinge viel mehr kämpfen und leisten müssen als männliche Kollegen. Wo steht die Frau in der Gesellschaft nach fast 20 Jahren? Ich denke, dass sich vieles verändert, aber zu wenig getan hat. Ob der Streik allerdings das richtige Mittel ist, um das durchzusetzen mag ich etwas zu bezweifeln.
Ich für meinen Teil, sehe meine Aufgabe vielmehr darin, meinen eigenen beiden Kindern, die ebenfalls Mädchen sind, ein starkes Vertrauen auf ihre Fähigkeiten und ihr Können für die Zukunft mitzugeben. Sie bekommen von meiner Seite keine Wertung bezüglich typisch männlich oder weiblich zu hören. Vielmehr sollen sie lernen, dass man das Recht hat alles umzusetzen, wenn man denn die entsprechenden Fähigkeiten hat. Und wenn sie mich einmal in einigen Jahren fragen werden, was ich denn getan hätte für die Gleichberechtigung und Gleichstellung der Frauen, dann werde ich ihnen wohl antworten müssen, dass ich versucht habe sie mit einem starken Fundament und Selbstbewusstsein in die Welt zu schicken, aber, dass ich nicht aktiv auf der Strasse gekämpft habe.
Bettina Leemann
28. Mai 2019
Bild: zVg