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Einer Generation entstammend, die noch ohne Computer und Handys aufgewachsen ist ...

home tab quer geknechtet

... denke ich noch manchmal sehnsüchtig an die Zeiten zurück, in denen Ferien noch einfach Ferien waren. Man war während zwei bis drei Wochen schlicht nicht erreichbar. Mit viel Glück hatte man im Büro eine Stellvertretung, die anstehende Aufgaben bearbeitete, ansonsten arbeitete man oft vor oder dann halt nach, aber dazwischen konnte man sich entspannen und die Seele baumeln lassen.
Als wir vor bald zwanzig Jahren ins Freiamt gezogen sind, drückte mir mein Mann mein erstes Natel in die Hand, mit den Worten «Wenn du mit dem Zug pendelst, möchte ich, dass du erreichbar bist oder die Möglichkeit hast, dich jederzeit zu melden, falls ein Problem auftritt.» Verständlich, denn damals waren die Verbindungen anders. Von Tür zu Tür war ich etwa 90 Minuten unterwegs. Heute nimmt dieselbe Reise noch knapp 50 Minuten in Anspruch. Ich kann mich noch allzu gut an das unförmige Ding erinnern, das gewichtig in der Handtasche ruhte. Meine Gesichtsfarbe änderte sich schlagartig auf Rot, wenn es plötzlich in der Tasche Geräusche verursachte. Meldete man sich, war die erste Frage «Wo bisch?» und die Standardantwort «Im Zug.» Peinlich!
Heute, zwanzig Jahre später, kann ich mir ein Leben ohne dieses lästige kleine Ding gar nicht mehr vorstellen. Morgens, während ich warte, bis die Kaffeemaschine ihre Betriebstemperatur erreicht, ertappe ich mich immer öfter dabei, nachzusehen, welche meiner E-Mails beantwortet wurden, ob ich Kurz-Nachrichten erhalten habe oder was in der Welt passiert ist. Ein Automatismus, der sich über die Jahre eingeschlichen hat. Das gemütliche Aufwachen mit einer Tasse Kaffee in der Hand, den Augenblick geniessen bevor mich der Alltag einholt, während Sohn und Hund noch schlafen und keiner etwas von mir will, das gibt es schon lange nicht mehr. Ich lasse mich knechten, wie die BewohnerInnen von Mittelerde durch den einen Ring in Tolkiens «Herr der Ringe». Nur manchmal fühle ich mich noch wie Frodo, der seinem Freund Sam den Ring überlässt, wenn ich ganz bewusst den Ton meines Telefons abstelle, das lästige kleine Ding ins Büro lege und es während Stunden einfach nicht beachte. Oder wenn ich es bewusst zu Hause liegen lasse und mit meinem Hund zu einem langen Spaziergang aufbreche.
Wenn ich mir so ein wenig Zeit stehle, die ständige Erreichbarkeit bewusst unterbreche, habe ich plötzlich ganz andere Augen für die Schönheiten der Umgebung, stelle überrascht fest, was sich um mich herum alles verändert hat, welche Schönheiten die Natur im Jahresverlauf hervorzubringen imstande ist und wie sauber sich die Luft nach einem Gewitter anfühlt. Und wenn ich wieder einmal nur noch schnell die Mails checken will, muss ich oft über mich selber lachen, wie abhängig ich geworden bin von dem kleinen Kästchen, das mir jederzeit und überall Dinge mitteilt, die ich eigentlich lieber gar nicht wissen will.

Susanne King
6. August 2017
Bild: Susanne King

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