Die Sommerzeit hat sich verabschiedet, endlich kann man den Herbst-Blues einziehen, sozusagen eine melancholische Auszeit.
Also Herbst ist es jetzt und im Blues, vor allem in der Entstehungszeit, klagten die Sklaven auf den grossen Baumwollfeldern über ihr Leid und misslichen Lebensumstände. So gesehen ist der Begriff Herbst-Blues bestens zu verstehen, denn die Sonne zieht sich zurück, das Wetter wird kühler, die Heizung sollte funktionieren, die Gartenbeizlein werden eingekellert, die Zeitumstellung kommt und irgendwie ruft ja schon die Weihnachtsplanung. Alles zu einem Ganzen gefügt, ist so ein richtiger Herbst-Blues mehr als angebracht ‒ nur schade, dass die Leute diesen Jammer nicht in Lieder umsetzen können oder wollen, so könnten alle daran teilhaben.
So wie ich den Blues als Musik liebe, so liebe ich auch den Herbst mit seinen Veränderungen, die er auslöst. So dauert es nur noch gut eine Woche und dann sind wir befreit von den sich selbstdarstellenden Leuten auf den vielen Plakaten entlang der Strassen und die Menschen müssen sich aus klimatechnischen Gründen kleidermässig wieder vermehrt einhüllen ‒ also schon zwei Gründe sich über den Herbst zu freuen. Nimmt man nun noch zur Kenntnis, dass aus der Rebe, die jetzt gelesen wird, Wein wird, den wir nächsten Frühling in der Gartenbeiz trinken, die feinen Wildspezialitäten nur darauf warten genossen zu werden … und die Vermicelles (mit Schlagrahm), die Begegnung mit dem Maroniverkäufer und der unübertreffliche Zwetschgenkuchen (auch mit Schlagrahm, bitte). Allerdings auf die vielgepriesene Kürbissuppe kann ich gut verzichten und Fondue muss es auch nicht allzu regelmässig sein.
Nun kann man endlich damit beginnen eines der Bücher zu lesen, das man schon lange lesen wollte ‒ so ungestört in der warmen Stube und nicht dem Nachbarn ausgesetzt auf dem Gartensitzplatz. Der Gesundheit zu liebe setzt man sich nicht der Witterung aus und verzichtet auf den abendlichen Besuch in der Beiz. Liebe LeserInnen, hat der Herbst mit seinem Blues als Auszeit nicht etwas beruhigendes ‒ die Hektik, die von uns produziert wird, kommt sicher rechtzeitig.
Richard Wurz
11. Oktober 2019
Bild: zVg