Seit Anfang Oktober begleiten sie mich wieder fast täglich auf meinen Spazierwegen, die Nebelschwaden entlang der Bünz.
Wie habe ich diese Nebel gehasst, als ich noch beruflich mit dem Zug nach Zürich pendelte. Um 6 Uhr morgens war man bereits eingepackt in diese feuchte, schwere, weisse Watte, beleuchtet vom gelben Licht der Strassenlaternen. Kam man abends nach Hause, war es bereits dunkel und das gelbe Licht durchflutete wieder weisse Nebelschwaden. Die Frisur hielt nicht in dieser Feuchtigkeit, trotz Haarspray, auch wenn es die Werbung anders versprach. Die Welt schien unwirklich, fast mystisch, eigentlich schön, aber das Tageslicht vermisste ich schmerzlich.
Heute finde ich die neblige Welt ganz in Ordnung, gehe allerdings ‒ wann immer ich es einrichten kann ‒ erst aus dem Haus, wenn es Tag wird. Ich ärgere mich nur, wenn ich wieder einmal die Handschuhe in der Garderobe habe liegen lassen, denn die Hände werden rasch kalt, wenn der Nebel über den Feldern liegt. Man kann sie nicht in den Taschen verstecken, man muss ja die Hundeleine im Griff haben. Ich zumindest. Denn meine Hundedame ist ein Jagdhund, ein Windhund um genau zu sein. Und dieser genetisch manifestierten Eigenschaft ist auch nach unzähligen Stunden in der Hundeschule mit keinerlei Erziehungstricks beizukommen. Also bleibt das Mädchen an der Schleppleine und bekommt seine Sprinteinheiten auf der extra für diesen Zweck an mehreren Tagen der Woche angemieteten, eingezäunten Wiese. Wir spazieren also im Herbst jeden Morgen zügig durch den wattedicken Nebel, die Dame an der acht Meter langen Schleppleine, und sind immer gespannt, was uns an der nächsten Weggabelung erwartet. Manchmal sind wir zwei Stunden unterwegs und begegnen keiner Seele, weder Mensch noch Hund. Mindestens nicht bewusst. Denn sehen tut man fast nichts. Es leitet nur die Erfahrung, das Wissen wo der nächste Bauernhof gleich schemenhaft im landschaftlichen Weiss auftauchen wird.
Die interessantesten Begegnungen ‒ so sie stattfinden ‒ sind natürlich immer die anderen Mensch-Hund-Teams, welche sich wie aus dem Nichts zu materialisieren scheinen. Dann nämlich mutiert meine Hündin an ihrer Leine ganz schnell zum Känguru und vollführt freudige Sprünge. Für den Hund offenbar wie Geschenke auspacken an Weihnachten und Ostern zusammen. Für mich wie Training im Fitness Center. So hat jeder etwas davon. Über die Jahre habe ich mich mit dieser herbstlichen Freiämter Wetterspezialität angefreundet, geniesse die einsamen Spaziergänge in den Feldern, freue mich anschliessend auf eine gute Tasse heissen Tees und die Aussicht, dass sich der Nebel im Laufe des Morgens auflösen und mir eine strahlende Sonne von einem blauen Himmel zuzwinkern wird. Die Frisur hält auch heute noch nicht, aber was soll ich sagen, meinem Hund ist das ziemlich egal.
Susanne King
November 2017
Bild: Susanne King