Diese zwei Worte geisterten in der letzten Woche durch die Presse und lösten wohl nicht nur bei mir ein Kopfschütteln aus.
Auf den ersten Blick scheinen die beiden Worte überhaupt nicht zusammen zu passen. Da verschafft einem die Natur offenbar in was auch immer einen Vorteil, so dass man besser an sein Ziel kommt. Eine ideale Sache könnte man meinen, aber für gewisse Personen kann oder soll in Zukunft der «natürliche Vorteil» zu ihrem Nachteil werden. In der besagten Meldung, welche durch die Presse ging, handelte es sich um eine Läuferin, die seit Jahren Bestleistungen läuft und damit allen anderen Konkurrentinnen buchstäblich davon läuft. Schuld an diesem Umstand ist nicht etwa, dass die betreffende Läuferin sich mit Pillen und Pülverchen einen Vorteil verschafft hätte, sondern die betreffende Frau über einen zu hohen Testosteron-Spiegel in ihrem Blut verfügt. Dieser erhöhte Testosteron-Spiegel, so konnte man vernehmen, rührt aus einer hormonellen Störung, ist also durch die Natur der Frau vorgegeben. Sie kann nichts dafür, dass dieser Wert so hoch ist. Dieser Wert, bedingt aber, dass sie schneller läuft als alle anderen Frauen. Nun ist der internationale Läuferverband zu der Entscheidung gekommen, dass dieser «natürliche Vorteil» für die Wettkämpfe nicht mehr zulässig ist. Für die Läuferin bedeutet dies, will sie im Spitzensport noch mitmachen, dass sie ihren Testosteron-Wert senken muss und dies natürlich mit Medikamenten.
Da habe ich als Laie einfach nur den Kopf geschüttelt und mich ernsthaft zu fragen begonnen, ob denn auch andere Verbände solche Regelungen ins Leben rufen wollen. So könnte man beispielsweise für Basketballspieler eine maximal zulässige Körpergrösse einführen. Denn dann könnten alle Riesen, die über beispielsweise mehr als zwei Meter gross sind in Zukunft bei wichtigen Spielen nicht mehr mitspielen, weil sie einen «natürlichen Vorteil» haben, der sie näher an den Korb bringt. Gleichzeitig sollte man allerdings auch beachten, dass dieser sogenannte «natürliche Vorteil» nur sehr partiell ein wirklicher Vorteil ist. Hat man beispielsweise eine gewisse Körpergrösse fällt man nicht nur überall immer auf, sondern man muss auch an vielen Stellen den Kopf einziehen, um sich nicht zu stossen.
Oder stellen Sie sich einmal vor, dass Menschen mit langen schlanken Fingern nicht mehr Klavierspielen dürften, weil sie die Klaviertasten besser greifen können. In ganz anderen Situationen können aber lange und schlanke Finger von einem entscheidenden Nachteil sein. Oder nehmen wir das Beispiel in den Bergen beim Klettern. Während kleinere Menschen beweglicher und flinker sind, erreichen grosse Menschen noch Felsvorsprünge, wo die kleineren drei Schritte machen müssen. Gleichzeitig finden aber kleinere Menschen leichter einen Halt in den Felswänden, weil ihre kleineren Füsse noch da einen Stand finden, wo grosse Füsse keinen Halt mehr haben. So ist das mit dem «natürlichen Vorteil» so eine Sache. Er kann sich sehr schnell zum Nachteil entwickeln und eigentlich ist es doch eine wunderbare Sache, dass es bis jetzt den «Normmenschen» noch nicht gibt.
Bettina Leemann
8. Mai 2019
Bild:zVg