Früher, als ich noch an den Osterhasen glaubte, waren für uns Kinder die Osternester versteckt …
im Haus oder bei schönem Wetter im Garten. Für jedes ein kleines Körbchen, gefüllt mit Ostergras, einem Hasen, gefärbten Eiern und ein paar Zuckerleckereien. Mit riesigem Hallo haben wir unsere Beute ins Haus getragen, sorgfältig gehütet und sparsam genossen. Als frischgebackene Mutter habe ich diese Tradition selbstverständlich fortgesetzt, habe mit Freuden und heimlich eingekauft, bin am Ostersonntag früh aufgestanden, um überall in Haus und Garten kleine Süssigkeiten und Eier zu verstecken. Die gemeinsame Suche war ein Riesenspass, wobei es mir nicht selten passierte, dass ich nicht gefundene Beute einige Zeit später beim Aufräumen entdeckte.
Wenn ich heute durch die Regale der Supermärkte schlendere, beschleicht mich jedoch zunehmend das Gefühl, der Jahresablauf würde fast ausschliesslich von der Schokoladenindustrie bestimmt. Im Oktober finden wir bereits die Weihnachtsleckereien aufgetürmt in Regalen und Schüttkörben, von wo sie uns auf die Vorweihnachtszeit einstimmen sollen, gekauft und probiert werden dürfen sie natürlich auch. Kaum ist Weihnachten vorbei, die Tannenbäume vor die Haustüren gestellt, erinnern uns herzförmige Verpackungen in allen erdenklichen Variationen an den Valentinstag am 14. Februar, den Tag der Liebe, eine Erfindung der Floristen, die sich die Schokoladenhersteller ganz schnell abgeschaut haben. Dem Erfindungsreichtum der Produzenten sind dabei keine Grenzen gesetzt. Sind die Herzen erstmal abgeräumt, hoppeln in Blitzgeschwindigkeit die Schokoladenosterhasen in die Gestelle.
Nun ist Ostern ja ein bewegliches Fest, das heisst, je später im Jahr Ostern stattfindet, desto länger haben wir die Chance, den schokoladenen Verführungen zu erliegen. So lockten die süssen Hasen und Eier uns dieses Jahr zwei lange Monate.
Ja, ich gestehe, auch ich bin dem Genuss guter Schokolade keineswegs abgeneigt, fühle mich aber zunehmend überfordert von diesem wochen- oder monatelangen Überangebot. Die Industrie hat im Verlaufe der Jahre bei mir nämlich das Gegenteil von dem erzeugt, was sie eigentlich im Sinn hat. Den schokoladenen Verlockungen erliege ich bewusst nicht mehr. Nur manchmal frage ich mich, was eigentlich mit all den Schokoladefiguren geschieht, die nicht an den Hüften der Geniesser landen.
In der Karwoche jedoch, stehen auch bei mir die Schokohasen auf dem Einkaufszettel. Für jedes Familienmitglied einer und ein paar Schokoeier zur Dekoration. Und die geniessen wir dann wirklich.
Übrigens, die Bonbonieren für uns Mütter stapeln sich mit Sicherheit bereits in den Lagerräumen der Detailhändler und warten nur darauf, die Osterhasen abzulösen, denn bald ist Muttertag.
Susanne King
12. April 2017