Nein, das wird kein feministischer Querdenker, und ich will schon gar nicht behaupten,
dass Frauen eigentlich das viel stärkere Geschlecht sind. Diese Thesen wurde bereits des Langen und Breiten intensive diskutiert. Trotzdem erlaube ich mir hier anzuführen, warum gerade starke Frauen mich immer wieder so faszinieren. Es sind Frauen, die auf ihre Art zu ihren Schwächen stehen können und damit für meinen Begriff definitiv gerade dadurch stark und spannend werden.
Starke Frauen, und das mögen Sie mir werte Leserschaft jetzt nachsehen, kommen für mich zu einem grossen Teil aus dem Ostblock – und nein, das wird auch kein Lobgesang auf den Sozialismus. Aber eines muss man diesem System einmal lassen, es hat den Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern deutlich gemacht. Denken Sie einmal an Russland, ein Land, in dem Vieles im Argen liegt, das in vielerlei Hinsicht mit den Menschen überaus menschenverachtend umgeht und gerade auch mit den Frauen nicht gerade zimperlich umgeht. Auf der anderen Seite haben hier aber Frauen durchaus die Möglichkeit, Karriere zu machen, ganz weit nach oben zu steigen, sofern sie sich an die Regeln halten und nicht gegen die Obersten opponieren. Und doch gibt es auch hier Frauen, die sich ihren Willen nicht brechen lassen, den Mund nicht verbieten lassen, eine glänzende juristische Karriere hinlegen oder beim Militär ganz nach oben steigen. Es geht mir hier wirklich nicht darum, dieses Bild zu idealisieren. Es ist mir durchaus bewusst, dass das Leben in Russland überaus hart ist und viele Frauen auch dort leiden müssen.
Aber im Gegensatz zu unseren Breiten, so habe ich zumindest den Eindruck, akzeptiert dort der Staat viel eher, dass die Frauen auch ihren Beitrag zum Bruttosozialprodukt beitragen. Für die Kinder gibt es Betreuungsstätten. Es ist normal, dass die Kinder schon früh in die Krippe und den Kindergarten kommen. Was ihnen dort beigebracht wird, das steht natürlich auf einem anderen Blatt Papier. Aber grundsätzlich ist der Staat daran interessiert, dass alle seine BürgerInnen die Möglichkeit haben zu arbeiten.
So ganz anders ist das Leben hier bei uns. Da muss man sich als arbeitende oder gar alleinerziehende Frau immer wieder von neuem rechtfertigen und erklären. Da muss man kämpfen und wie wild organisieren, damit die Kleinen ein Mittagessen auf den Tisch bekommen, nach der Schule Randstundenbetreuung erhalten, jemand mit ihnen die Aufgaben macht. Ein riesiger Spagat, den frau tagtäglich zu bewältigen hat und der viel Energie kostet, die man anders besser investieren könnte. Dies ist wohlgemerkt für viele der ganz normale Alltagswahnsinn, denn es ist auch eine Tatsache, dass längst nicht alle Gemeinden einen Mittagstisch und Randstundenbetreuung anbieten, geschweige denn Blockzeiten an den Schulen haben. Es sei angemerkt, dass das längst beschlossene Sache ist, nun aber auf Druck vom Kanton aus endlich langsam in der Umsetzung zunimmt. Bis dies aber überall tatsächlich in die Tat umgesetzt ist, müssen meist Frauen, man möge es mir verzeihen, den grossen Spagat machen und zwischen Büroalltag irgendwie auch noch die Kinderbetreuung organisieren, den Haushalt aufrecht erhalten und Abends gut gelaunt den arbeitenden Mann empfangen. Ein Leben, das nur dann zu bewältigen ist, wenn man seine ganze Stärke mobilisieren kann. Darum wünsche ich mir mehr starke Frauen, die sich trauen aufzustehen und einzufordern, was ihnen zusteht, nämlich ein lebenswertes Leben, das nicht geprägt ist von einer einzigen dienenden und immer allen rechtmachenden Haltung.
Bettina Leemann
10. November 2017
Bild: zVg