Genealogie, sprich Ahnenforschung geht in der heutigen Zeit ganz moderne Wege und dabei kann man seine Ahnen auf der ganzen Welt und bis weit in die Vergangenheit aufspüren.
Früher, sprich vor einigen Jahren, musste man, wenn man seinem Familienstammbaum auf den Grund gehen wollte, mühsame Recherchen in den unterschiedlichsten Archiven betreiben. Eine überaus ermüdende und zeitraubende Angelegenheit war das, und dies immer auch mit der Unsicherheit verbunden, dass denn die Personen, die man sich mühselig erschlossen hatte, auch wirklich zur Familie gehörten. Denn man musste auch alte Schriften entziffern können und sich ein gewisses historisches Wissen aneignen, wie denn Namen überhaupt verliehen und weitergegeben werden. Kurz gesagt, es war eine überaus intensive Arbeit, die vor allem von älteren Herren betrieben wurden, die nach ihrer Pensionierung nicht nur ihren Familienstammbaum aufzeichnen wollten, sondern auch eine Beschäftigung suchten, die sie über einen gewissen Zeitraum sicher intensiv mit Beschlag belegte.
Heute aber, so suggeriert uns die moderne Wissenschaft, geht dies alles viel einfacher und absolut zweifels- und fehlerfrei. Das Zauberwort heisst DNA-Test. Da kann man im Internet einen DNA-Test bestellen, mit dem berühmten Wattestäbchen etwas Speichel aufsaugen und das ganze ins wissenschaftliche Labor schicken. Wo dieses Labor denn steht, mögen Sie jetzt wohl fragen. Nun das Labor steht in den USA. Nach drei bis vier Wochen bekommt man dann Online seine ausgewerteten Daten geliefert. Mitsamt einigen Verwandten, verstreut auf der ganzen Welt, die aufgrund des Genmaterials die sie in sich tragen mit uns übereinstimmen. Ganz schön praktisch mögen Sie nun denken. Das mag es auch sein, wenn man beispielsweise auf der Suche nach seinem leiblichen Vater oder Mutter ist, oder wissen möchte, ob man irgendwo auf der Welt noch einen Bruder oder eine Schwester hat.
Aber das Wissen birgt nach meiner Ansicht auch einige Gefahren. Mal abgesehen davon, dass man vielleicht nicht glücklich darüber ist, wenn man plötzlich einen Bruder oder eine Schwester hat, von der man gar nichts wusste, oder sich den Vater oder die Mutter ganz anders ausgemalt hat, als sie dann der Tatsache entsprechen. Meiner Ansicht nach Besorgnis erregend ist, wem man sein eigenes Genmaterial für den Abgleich in die Hände anderer spielt – nämlich der USA. Was macht diese Weltmacht mit diesem Wissen? Natürlich wird überall versichert, dass das ganz anonym ist und man kann die Löschung seiner Daten verlangen. Doch wer garantiert mir, dass dies auch wirklich gemacht wird.
Mit einem kleinen aber überaus wirksamen Schachzug, der den Menschen eine tolle Errungenschaft propagiert, sind wir ganz nahe beim «gläsernen Menschen». Ich für meine Person verzichte gerne auf einen Familienstammbaum, der auf diese Art entstanden ist.
Bettina Leemann
17. März 2019
Bild: zVg