Der Stein lebt und denkt
Einen Kreislauf hat der Kunstschaffende Patrick Rohner geschlossen, denn geprägt als Kind von der Landschaft Rothenturm und nach dem Studium in Düsseldorf ist er in die Berge gezogen, ins Glarnerland. Da lebe und arbeite er nun schon seit 33 Jahren. «Ich suchte eine Landschaft, wo die Geologie eine grosse Rolle spielt und im Glarnerland ist das so», hielt Patrick Rohner fest. Das Glarnerland sei weltweit einer der dichtesten Punkte in der Geschichte, denn auf 40 Kilometer Distanz habe man die Übersicht über 320 Millionen Jahre. «Sämtliche Stufen sind sichtbar und das ist einzigartig.» In seinem Studium habe er sich mit der Geschichte, der Kunst und der Philosophie auseinandergesetzt und habe vielfach Gespräche mit den Wissenschaftlern gesucht und nicht mit den Kunstschaffenden. Geschult sei er von Professoren geworden, die die Abstraktion gesucht haben, während er eigentlich das Komplexe, das Unsägliche suchte. «Wir leben in einer Landschaft und haben meistens nur einfache Zugänge dazu, dabei ist die Landschaft eine komplexe Angelegenheit.»
Patrick Rohner
Der Tag hat einen festen Ablauf
Er sei ein Vielschaffer und habe die Überforderung zu seiner Doktrin gemacht, hielt Patrick Rohner fest. So ordne er die Welt, pflege die Kontakte zu Künstler:innen und Wissenschaftler:innen und sammle die Berichte über die Katastrophen, ordne rund 20 Themen, archiviere sie als Dokumentation, die er aber laufend wieder aussortiere. Dann natürlich hätten die Arbeiten und Auseinandersetzungen mit den Materialien, um seine Gedanken und Ideen bildlich festzuhalten, einen grossen Platz ein. Einzelne Arbeitsprozesse würden bis zu drei Jahre dauern, denn er wolle die geologischen Zeiträume übersetzen und erstelle daher auch ein Protokoll, ein wissenschaftliches Tagebuch.
Bei seinen vielen Begehungen der Landschaft erstelle er wohl in fünf Stunden bis zu 2000 Bilder, aber er fotografiere eigentlich nicht. Er überlege sich die geologischen Abläufe und frage sich, was die Landschaft bewege und was sie mit ihm mache. Die Nachsicht seiner Fotografien teile er in fünf Punkte auf: Die Nachsicht – die Struktur; die Mittelschicht – wo sind die Farben; die Weitsicht – die Landschaftlichkeit; die Rundsicht – die Dynamik, die Energie, fast der wichtigste Begriff, der vernachlässigt wird; die Philosophie – meine Arbeit, in der er Beobachtung und Wahrnehmung über alles stelle. Wenn man zum Beispiel einen Stein auf Büttenpapier lege, dann hinterlasse der Stein eine Botschaft und Spuren und es gebe so ein Abbild. «Ein Stein nimmt die Veränderungen schneller wahr als der Mensch, denn er lebt und denkt.»
Die Welt ist im Wanken
Die Freude an der Natur entstehe sicher je mehr man über sie wisse und wahrnehme, betonte Patrick Rohner. Er machte aber deutlich, dass die Landschaft mache, was sie wolle und mit etwas Glück könne der Mensch mithalten. «Wir haben den Bezug zur Natur verloren. Die Zerstörung, die wir fertig gebracht haben, macht einen Zugang fast nicht möglich.» Es sei ein Missverhältnis zwischen Mensch und Natur entstanden, daher brauche es Hinweisschilder in Bezug auf das sich benehmen in der Natur und Erlebnispärke. Man spreche nicht mehr mit der Natur und habe zum Beispiel vergessen einen Stein zu schlecken und seinen Geschmack zu spüren.
Angesprochen auf die Thematisierung des Klimawandels auch in der Kunstwelt, wies Patrick Rohner darauf hin, dass es Trendkünstler:innen gebe, die das Thema Klima nutzen, um berühmt und reich zu werden. Dabei gehe vergessen, dass es die Klimaerwärmung schon seit 100 Jahren gebe und vom Mensch verursacht sei. Aber es existieren auch viele Kunstbewegungen sozusagen im Untergrund, die sich um die sozialen Belange kümmern und sich in ihrer Arbeit damit auseinandersetzen. Die Kunst sei genauso unübersichtlich wie andere Gesellschaftsformen geworden, meinte er, und man nehme vor allem den Kunstmarkt wahr, wo es um das Kapital gehe, wenn auch schmutziges Geld fliesse.
Das Thema Klima als Trendkünstler zu nutzen habe aus seinem Leben heraus keinen Platz, denn in seiner Arbeit nehme er das Thema ernst und sei sich der Verantwortung bewusst. Also etwas im richtigen Moment das Richtige für den Markt zu machen, könne er nicht, denn Kunst sei für ihn nie ein Zuhälterwesen gewesen und er habe sich nie prostituieren müssen, hielt Patrick Rohner klar fest. «Ich bin ein Teil dieses Kunstmarktes, aber ich bin zu ‹billig›.»
Er habe sehr viele Umwege gemacht, aber über Umwege werde man ortskundig und so sei sein Künstlerdasein entstanden. Die Kultur sei ein wichtiger Bereich im Leben, vor allem da, wo es stattfinde. Daher sei er auch nicht zu einem um die Welt reisender Künstler geworden, sondern versuche hier konsequent seine Arbeit zu machen und mit zum Dialog zwischen Natur und Kunst beizutragen.
Richard Wurz
31. Oktober 2023
Bilder: Patrick Honegger
«Landschaft im Blickfeld der Kunst»
Der Kunstschaffende Patrick Rohner thematisiert gemeinsam mit acht Künstler:innen in der Ausstellung «Rolling Stones» das Thema Landschaftsveränderung. Die Ausstellung «Rolling Stones» im Singisen Forum Muri dauert bis 12. November und ist von Dienstag bis Sonntag von 11 bis 16 Uhr geöffnet. Weitere Informationen unter www.murikultur.ch
Der nächste Kafi-Tratsch findet am Samstag, 25. November um 10 Uhr im Foyer des Kellertheaters Bremgarten statt. Eintritt frei – HutKollekte. Reservationen an: