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«Der unbekannte General» ‒ eine Koproduktion des Kellertheaters Bremgarten mit Jean′s Theater unter der Regie von Jean Grädel.


home tab k'theater general1Für das Ehepaar Margarete und Achill Beaulieu de Chamfort-Mouron hat sich räumlich alles reduziert auf einen Atomschutzbunker und geblieben sind ihnen eigentlich nur noch apokalyptische Visionen. Das Stück «Der unbekannte General» schrieb Autor René de Obaldia wohl schon 1964, aber inhaltlich hat es an Aktualität in den vergangenen fünf Jahrzehnten nichts verloren, vieles ist eher noch mehr ins Bewusstsein geraten.

Ein morbider Alltag
Da sitzt Margarete, die Gemahlin des Generals, am improvisierten Küchentisch und schält Kartoffeln und ihr Gemahl Achill, der General, stolziert durch die Küche, begutachtet mit Argusauge und strenger Miene die Situation. «Soll man reden oder schweigen»? fragt sich Margarete. Heute seien ja die Leute nicht mehr offen, sondern abgeschliffen wie Kieselsteine ‒ eigentlich sagen sie nichts. Aber schon Vater habe die Bibel auf dem Grund grosser Biergläser neu erfunden. Den General stört, dass die Gemahlin eines Generals immer Kartoffeln schält. Worauf sie anfügt, dass sie Erdäpfel schäle und nicht Kartoffeln, denn sie wolle mit der Erde verbunden sein.
Für Herr Beaulieu, als General mit der Luftverteidigung beauftragt, ist für einen Moment deprimiert. Ein weiteres Mal wurde sein Rücktrittsantrag abgelehnt und gleichzeitig wurde ihm eine Lohnerhöhung zugesprochen. Letztlich meint er aber nicht ohne Stolz «Man braucht mich». Seiner Gemahlin erklärt er, dass er beim letzten Attentat nicht Glück gehabt habe am Leben zu bleiben, sondern ein anderer musste dran glauben. Und den ewigen Kinderwunsch seiner Frau wischt er weg mit der Anmerkung «Ich will nicht Vater meiner Waisen sein» sein und weist auf die Erbbiologie und die atomaren Gefahren hin.
Das Ehepaar Beaulieu de Chamfort-Mouron lässt in ihrem alltäglichen Dialog nichts aus. Eine Mischung zwischen Wirklichkeit und Fantasie, Bedrohung, Hilflosigkeit und Visionen. Und als Ausweg sucht der General noch die Hilfe in der Gestalt einer Spionin, Hauptmann Kraspeck. Sie zettern über das Geschehen in der Welt, die Unbill überall, seine verantwortungsvolle Position als General, derer er sich eigentlich gar nicht so bewusst ist ‒ und Margarete schält immer noch Kartoffeln, nein, natürlich Erdäpfel.

Eigentlich eine Alltagsgeschichte
Die beiden sind nicht mehr die Jüngsten, führen Monologe und Dialoge, vermischen die Möglichkeit der Ausrottung der Menschen mit ihrem eigentlich erbärmlichen hoffnungslosen Alltag, obwohl für diesen streng genommen gar kein Platz ist. Die Dialoge unterstreichen sie mit viel Zynismus, Ironie und Humor und versuchen irgendeine vielleicht doch noch mögliche Alltagsphilosophie auf die Schiene zu bringen. Sie widerspiegeln den Menschen in einer Alltagssituation, die es so eigentlich gar nicht gibt und doch Wirklichkeit ist. Margarete (Lilly Friedrich) und Achill (Albert Freuler) bringen den Text so pointiert auf die Bühne, reduziert auf die Fakten, nie abgehoben ‒ einfach ganz normal.
Letztlich schliesst sich der Kreis. Der General muss gehen und Margerete meint, es gäbe noch so vieles hinzuzufügen, aber es sei besser zu schweigen ‒ es sei Zeit … gehen wir.

Richard Wurz
5. November 2017
Bilder: Richard Wurz