«Grand Tour Caspar Wolf»
Seit mehr als zwanzig Jahren befasst sich Andrina Jörg mit ihrem Paranatur Forschungslaboratorium mit den Verflechtungen von Kultur und Natur. «Ich habe fortwährend alles registriert, wie der Mensch die Natur für sich ausbeutet und so wurde meine Arbeit zu einem Spiel und Reflexion Natur-Kultur», erklärt Andrina Jörg im Gespräch. So kenne sie auch Caspar Wolf und seine Bilder, was die Frage auslöste, wie soll man heute die Berglandschaft von Caspar Wolf gesehen und in Bildern festgehalten anschauen. «Caspar Wolf sah diese anders und sie war anders.» Sie setze sich aber mit dem heutigen Blick der Veränderungen auseinander und wolle keine historische Arbeit als aktuelle Antwort auf Wolf's Ausschnitte der Berglandschaft geben. So sei sie mit ihren Materialien nach Gletsch gegangen, wo Caspar Wolf Ölbilder malte und sei fasziniert gewesen, 250 Jahre später am selben Ort wie er zu stehen. Nachdenklich fügt sie aber an: «Der Antrieb zu dieser Arbeit ist verbunden mit einer Traurigkeit über den Zustand, wie alle Ressourcen der Natur konsumiert werden und man es ihr als Müll wieder zurückgibt.» So sei es für sie zu einer Auseinandersetzung und Wahrnehmung über das Umfeld geworden und sie habe sich die Frage gestellt: «Ist es eine Mit-Welt oder einfach nur Um-Welt?»
Aus Plastik wird Natur
In ihren Installationen verwendet Andrina Jörg nur Materialien aus dem Alltag. Das sind die Paranaturpflanzen, das heisst, Löffel, Gabeln, Bürsten, Kaugummi, Becher und viele Gebrauchsgegenstände mehr. «Sie erinnern in Form und Farbe an Pflanzenteile und alles sieht wie echt aus. So wird das Ganze zu einem Verwirrspiel um nachzudenken, wie es wirklich ist.» So erstellte sie am Fuss des
Andrina Jörg
Rhonegletschers und der Berge eine Installation mit ihren Paranaturapflanzen. «Meine Vorgehensweise ist einfach, denn ich transformiere Alltagsgegenstände in die Natur, um eine paranatürliche Landschaft zu installieren.» Beim Betrachten könne man imaginieren, so Andrina Jörg, und sich die Frage stellen: «Was würde geschehen, wenn in Gletsch eine neuartige Flora wachsen würde?» Es sei aber hier unmissverständlich festgehalten, dass Andrina Jörg selbstverständlich alle installierten Alltagsgegenstände wieder fein säuberlich wegräumt und mit nach Hause nimmt.
Ein Erkenntnisinstrument
In ihrem Forschungslaboratorium untersucht Andrina Jörg wie die zukünftige Natur aussehen wird, denn von Natur könne man (fast) nicht reden, zu fest habe der Mensch auf sie Einfluss genommen. Mit ihren Installationen wolle sie das sichtbar machen und zum Nachdenken anregen. Sie hält aber klar fest: «Das Dogmatische und das Missionieren liegen mir fern. In der Arbeit müssen immer der Humor und das Spiel ihren Platz haben.» Daher brauche sie in ihrer Arbeit auch Alltagsgegenstände, denn so könne sie immer Neues gestalten und entstehen lassen und auch wieder auseinandernehmen. Kunst sei für sie ein Erkenntnisinstrument, das sinnlich erfahrbar sei, verschieden gelesen und interpretiert werden könne – und so entstehen Fragen.
Richard Wurz
24. März 2022
Bilder: Richard Wurz und Paranatur Forschungslaboratorium
Weitere Informationen unter www. http://diezukunftkuratieren.ch/ und www.murikultur.ch/ und www.andrinajoerg.ch