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Das ganze kulturelle Angebot ist weggebrochen – da bleibt die Frage und jetzt?


home quer applausDie Kultur, sprich die Musik hat in Zeiten der Krise gegenüber dem Sport einen wesentlichen Vorteil. Während man Fussball, Handball, Ringen und viele andere Sportarten nur in einer Mannschaft und selten allein ausführen kann, braucht es für ein musikalisches Erlebnis längst nicht so viele Leute. Im besten Fall kann das eine Person für sich, aber es gibt auch viele Musikwerke, die für kleine Formationen geschrieben worden sind. Wenn es nicht gerade eine Symphonie, eine Oper oder Ähnliches ist, dann könnte man theoretisch immer noch musizieren, vorausgesetzt, man kann die Distanz einhalten. Noch besser ist es natürlich, wenn man eine musikalische Familie ist, denn dann kann man auch gemeinsam Musik machen.

Während die Trainings im Sport wegfallen, haben die Musikschulen inzwischen Mittel und Wege gefunden, wie sie ihre SchülerInnen direkt zu Hause unterrichten. Natürlich ist das nicht dasselbe, wenn man den Schüler oder die Schülerin nur über den Bildschirm vor sich hat und über den Kopfhörer hört, aber es ist besser als gar nichts. Oder wie das kürzlich eine Musiklehrerin sagte: «Wir können wirklich glücklich sein, dass wir die Musik haben, denn die kann uns keiner nehmen.»

Je länger man darüber nachdenkt, umso richtiger ist die Aussage. Während uns die Regierung arg in unserer Bewegungsfreiheit einschränken kann, ist dies für das Musizieren in diesem Ausmass nicht möglich. Zwar kann der Auftritt verboten werden, aber was ich in den heimischen vier Wänden mache, das lässt sich so nicht so einfach einschränken. Dank den heute verfügbaren technischen Möglichkeiten kann der Musiker oder die Musikerin sich selbst auf Video aufzeichnen und dieses Video im Internet der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Damit hat er allerdings noch kein Geld verdient, denn was auf dem Netz ist, das die langläufige Meinung, das sollte auch gratis sein. Und der Applaus des Publikums fällt auch weg. Für einen Künstler, eine Künstlerin, mag das eine riesige Einschränkung und eine grosse Entbehrung sein und doch ist er oder sie eigentlich in einer überaus privilegierten Lage. Die Musik und die Freude an der Musik sind noch da und die Möglichkeit, diese Freude weiterzugeben besteht nach wie vor. Ein weiterer Vorteil dieser «digitalen» Präsenz liegt darin, dass man nicht in Vergessenheit gerät. Aktuell verdient man wohl kein Geld mit seiner Performance, aber in ferner Zukunft, wenn Auftritte vor «richtigem» Publikum wieder möglich sind, dann erinnern sich die Menschen vielleicht an ein genial eingespieltes Video auf dem Netz, an einen Livestream, in dem man ein Konzert in einer Kleinstformation gegeben hat und genau diese MusikerInnen erhalten dann einen Auftrag.

Gerade weil sie ihre Musik weiter und entgegen allen Widrigkeiten an die Öffentlichkeit getragen haben und nicht gefragt haben: Was bekomme ich dafür – sondern wie bringe ich das, was mich ausmacht immer noch zu den Leuten? Der Applaus des Publikums wird mit Verzögerung kommen, weil im Moment nicht anders möglich, aber ich bin mir sicher, dass er kommen wird.

Bettina Leemann
29. März 2020
Bild: Bettina Leemann

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