Das Festival Boswiler Sommer in der Alten Kirche Boswil bietet für das Publikum während einer guten Woche ein wunderbar reichhaltiges musikalisches Programm.
Es gibt sie aktuell die lauen Sommerabende, bei denen man in der Alten Kirche Boswil Musik pur geniessen kann. Dabei geben sich berühmte MusikerInnen aus aller Welt die Klinke in die Hand oder musizieren gar gemeinsam in einer zusammengesetzten Formation, die sich nur für den Boswiler Sommer gefunden hat. Einige der Konzerte sind zum Bersten voll, während man andere in einem völlig intimen Rahmen geniessen kann. Dies ist auch der Zusammenstellung der Programme geschuldet. Typische Beispiele dafür waren beispielsweise der Mittwoch- und Donnerstagabend in der Alten Kirche Boswil. Während der Mittwoch unter dem Titel «Zum Roten Igel» stand, war der Donnerstag ganz «Legends» gewidmet.
Klezmer traf Klassik
Das ZRI-Ensemble (Zum Roten Igel) sorgte am Mittwoch für ausgelassene Stimmung in der Alten Kirche Boswil. Die Atmosphäre war bestimmt vergleichbar mit derjenigen der namensgebenden Taverne in Wien, in der sich ein Grossteil der Komponisten wie Johannes Brahms (1833 bis 1897) oder Franz Schubert (1797 bis 1828) nur zu gerne aufhielten und sich schon damals von der Musik aus dem Osten inspirieren liessen. So mischte das ZRI-Ensemble bestehend aus Ben Harlan (Klarinette), Max Baillie (Violine), Matthew Sharp (Violoncello), Jon Banks (Akkordeon) und Iris Pissaride (Santur) die Musik von Johannes Brahm's Klarinettenquintett mit Stücken aus der Tradition der Klezmermusik. Dabei entstand eine berauschende musikalische Mischung, welche das Publikum mitriss und in den Bann zog. Wohl ewig hätte man diesem auf musikalisch höchstem Niveau konzertierendem Ensemble zuhören können.
Wunderbar war auch die Zusammenstellung der Instrumente, die für die Ohren unserer Zeit wohl eher ungewöhnlich und doch für die präsentierte Musik so passend war. Es war spannend dem Schlagabtausch zwischen der Violine und der Klarinette zuzuhören, die sich immer mal wieder ein musikalisches Duell in den einzelnen Stücken lieferten. Warm war der Klang des Cellos und des Akkordeons, auch wenn sie zwischendurch beinahe etwas in der Lautstärke verloren gingen und klanglich äusserst reizvoll war das Santur. So liess das Publikum die mit viel Leidenschaft und Herzblut musizierenden MusikerInnen am Ende des Abends nur ungern wieder ziehen. Doch jede laue Sommernacht hat einmal ein Ende.
Berührende Momente mit einer LegendeGanz anders war hingegen das Konzert am Donnerstagabend in der Alten Kirche Boswil. Hier traf man in der Person von Victoria Postnikova am Klavier eine Legende in der Welt der KünstlerInnen. Die russische Pianistin hatte vor rund 30 Jahren gemeinsam mit Geiger Yehudi Menuhin im Duo gespielt. Genau dieser Zeit war auch der Abend gewidmet. So wurde man Zeuge des brillanten Klavierspiels von Victoria Postnikova, die an diesem Abend live auf der Bühne Werke von Franz Schubert interpretierte. Und in einem Dokumentarfilm von Bruno Monsaingeon über Yehudi Menuhin und Victoria Postnikova konnte das Publikum die Konzerte dieses einmaligen Duos in Moskau erleben. Ein überaus intensiver und sehr berührender Film, der das Publikum tief in die zwei Musikerseelen blicken liess und dabei klar machte, dass man zwar Musik technisch beherrschen kann, aber «richtige» Musik erst dann entsteht, wenn die Seele zum Klingen gebracht wird.
Regisseur Bruno Monsaingeon war an diesem Abend ebenfalls ins Boswil anwesend und gemeinsam mit Victoria Postnikova beantworteten sie im Anschluss an den Film noch die Fragen von Patricia Moreno, Journalistin bei SRF2 Kultur. In dem kurzen Gespräch wurde klar, dass es sowohl für den Regisseur, als auch die Pianistin ein ganz besonderer Moment war, nach 30 Jahren diesen Film noch einmal zu sehen und die Bilder weckten bei beiden Erinnerungen und Emotionen. So war es ein überaus intimer und bewegender Abend, den man hier in Boswil erleben durfte.
Bettina Leemann
5. Juli 2019
Bilder: Bettina Leemann