Flautando präsentierte an einem abwechlungsreichen Tag in Boswil die unglaubliche Vielfalt der Querflöte.
Kurse zur Querflöte haben in der Alten Kirche Boswil eine lange Tradition. Seit einigen Jahren ist es nicht mehr einfach ein Meisterkurs, der von einer Koryphäe geleitet wird, wie das zu Zeiten von Marcel Moyse, und auch die TeilnehmerInnen kommen nicht mehr scharenweise aus Japan, um hier das «richtige» Querflötenspiel zu lernen. Aber noch immer lassen sich FlöstenInnen, Profis und Amateure, Studenten und Pädagogen gerne auf einen ganzen Tag Weiterbildung in der Alten Kirche Boswil ein. Da wurde gestaunt, gefachsimpelt, aber auch Erinnerungen ausgetauscht. Flautando unter dem Motto «Flöte plus+», organisiert vom Flötisten Stefan Keller, war ein bereicherndes Erlebnis, welches die Querflöte in ihrer ganzen Breite aufzuzeigen versuchte.
Alte Meister und wilde Junge
Peter-Lukas Graf, der Grandseigneur der Querflöte, eröffnete am letzten Samstag den Tag in Boswil und gab dabei nicht nur eine Kostprobe seines Könnens, sondern er versuchte auch zu erklären, warum er mit seinen bald 90 Jahren noch immer ein Meister auf seinem Instrument ist. Er stellte gleich von Beginn weg klar, dass er kein Rezept dafür habe und betonte, dass er keinen Sport machen würde. Recht anschaulich skizzierte er auch, dass seine Schaffenszeit von stetigen Veränderungen geprägt war und er quasi von einer Krise in die nächste rutschte. So könne er von sich nicht behaupten, dass er jemals in Form gewesen sei, sondern er war immer gezwungen, das Beste aus der Situation zu machen. Was im ersten Moment eher zynisch klingt, ist vielleicht gerade das Geheimnis, wieso Peter-Lukas Graf auch im hohen Alter noch immer hervorragend musiziert. Es ist Musik, die er seiner Flöte entlockt und nicht einfach reine Technik und darauf legt er auch grossen Wert.
Einer, der die Musik zu einem wahren Sport macht, ist dagegen Nerses Ohanyan aus Armenien. Er beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit Beatboxen auf der Flöte. Ein ganzes Schlagzeug zu imitieren und dabei noch Flöte zu spielen, das verlangt vollen Körpereinsatz. Eine anstrengende Sache, die auch die TeilnehmerInnen am Nachmittag in einem Workshop hautnah miterleben konnten.
Stefan Keller, Initiator von Flautando
Dass die Blockflöte der Querflöte in Nichts nachsteht, davon konnte man sich beim Vortrag von Maurice Steger überzeugen. Er machte deutlich, dass die Blockflöte zu Unrecht neben der Querflöte ein Schattendasein führt und nach dem Barock praktisch nichts mehr für die Blockflöte geschrieben wurde, weil die Querflöte sie verdrängt hatte. Dass sich Querflöten aber auch weiterentwickelt haben und man heute quasi ein ganzes Orchester mit Flöten in allen Stimmlagen bestücken kann, darin bekam man an diesem Tag auch einen Einblick. Madeleine Bischoff, Andreas Stahel und Stefan Keller, spielten praktisch jede Flöte von der höchsten bis zur tiefsten und Jörg Dennler zeigte direkt wie man aus einem «Haufen» Flötisten ein Ensemble macht.
Klang von überall
Der krönende Abschluss des Tages war allerdings das Konzert «Querbeet – Surprise Surround Konzert» am späten Abend. Teilweise in absoluter Dunkelheit, von verschiedenen Standorten in der Alten Kirche Boswil, traf die Flötenmusik auf die Ohren des Publikums. Auch stilistisch war alles vertreten. Von zeitgenössischen Klängen bis zur traditionellen Flötenliteratur, aber auch bei wunderbaren Arrangements konnte man an diesem Abend eintauchen in Flötenmusik pur und ging ein Stück reicher nach Hause. Es war wahrlich ein Erlebnis, auch wenn ungeübte Ohren zwischendurch durchaus einmal genug Flöte gehört hatten.
Bettina Leemann
12. November 2017
Bilder: Richard Wurz und Bettina Leemann