Die elf Teilnehmenden vom Young Composers Project (YCP) des Künstlerhauses Boswil haben unter der Leitung von Roman Djion ihre Arbeit aufgenommen und werden im Herbst ihre Kompositionen präsentieren.
Man neigt zu sagen, dass die Komponist*innen sich ja gewohnt sind im stillen Kämmerlein ihrer Arbeit nachzugehen, also sollte eigentlich die Pandemie mit ihren Vorsichtsmassnahmen keinen grossen Einfluss auf den kreativen Prozess haben. Dem widerspricht Roman Djion, Projektleiter des YCP des Künstlerhauses Boswil, im Gespräch unmissverständlich: «Das ‹stille Kämmerlein› für sich genügt nicht, es braucht den direkten Kontakt untereinander.» Damit weist er darauf hin, dass man auch dieses Jahr die Lektionen via Zoom erteilen müsse und so das direkte Gespräch mit den Referent*innen und untereinander erschwert sei. Roman Djion ist aber aufgrund des Starts sehr zuversichtlich, dass auch auf dieser Ebene ein kreativer Prozess stattfindet. Und im September werden die Kompositionen von Profimusiker*innen erstmals in der Alten Kirche Boswil aufgeführt.
Kein musikalischer Spaziergang – oder doch?
Die jungen Komponist*innen (zwischen 14 und 20 Jahre alt) sind während einem halben Jahr gefordert. Als Instrumente für ihre Werke können sie die folgenden Instrumente miteinbeziehen: Bassklarinette in B, Klarinette in B/A und in Es, Bassetthorn in F, Violine, Violoncello, Klavier, Vibraphon, Kleine und Grosse Trommel, Tom-Toms und Chinesisches Becken. «Das ist eine namhafte Erweiterung gegenüber 2020, standen da doch nur Klavier, Violoncello und Klarinette zur Verfügung», erklärt Roman Djion. Er fügt aber gleich an, dass es dadurch für die Komponist*innen nicht einfacher wird. Diese sind bei den Lektionen wohl mit grossem Interesse dabei, strahlen aber eine gewisse Gelassenheit aus. So liessen sie unter anderem aus dem Lied «Leis die Erde» mit seinen sechs Takten in Kürze elf neue Möglichkeiten der Interpretation entstehen. In der Diskussion dazu fiel die Anmerkung «man hört ein Motiv und kann machen, was man will» – da darf man ja gespannt sein, was den jungen Menschen musikalisch alles so einfallen wird.
Der Film und seine Musik
Mit dem Referenten Pierre Funck, Dozent an der Hochschule der Künste Zürich und Filmmusikkomponist, tauchte die Komponist*innen-Runde in die Welt der Filmmusik ein. Er machte deutlich, dass es den Regisseur*innen und den Komponist*innen ein Bestreben ist, dass das Geschehen im Film und die Musik einander ergänzen, die Handlung unterstützen und so den Film als Ganzes zum Erlebnis machen. Dies soll so sein, wenn auch manchmal eher die Musik in Erinnerung bleibt. Pierre Funck bringt das anlässlich des Seminars unter anderem so auf den Punkt: «Es ist unglaublich, was Musik aus dem Film alles machen kann. Das müssen wir pflegen, aber beim Komponieren auch berücksichtigen, denn die Musik zeigt etwas, was im Bild nicht vorhanden ist.» Im Vordergrund des Prozesses stehen die Filmemacher*innen, ihr Film und ihre Wünsche. Das sei nicht immer einfach, meint Pierre Funck mit einem Lächeln, denn vielfach können sie gar nicht formulieren, was sie wollen. Daher müssen die Filmkomponist*innen ein breites fachkundiges Handwerkerwissen mitbringen und dies auf der gesamten Palette der Möglichkeiten, denn Improvisation hat hier keinen grossen Platz. Natürlich sei es von Vorteil, wenn man mit den Musiker*innen eine Woche Zeit für das Einstudieren habe, so Pierre Funck, oder wenigstens ein Studio mit einzelnen Musiker*innen. «Das ist aber längst nicht mehr zahlbar. Daher stehen im Grosseinsatz die technischen Möglichkeiten mittels dem Computer und man mische alles zusammen», erklärt er. Das nennt man, meint er mit einem vielsagenden Lächeln: «Plastikaufnahmen.» Man könne längst auf seiner Tastatur alle Instrumente spielen, selbst jene, die man selber gar nicht kann. «Eine Stimme muss echt sein, der Rest geht mit dem Computer und man hat das Ganze.»
Damit aber hörbar wurde, was mit einem Film passieren kann, wenn die Musik verändert wird, legte Pierre Funck als Aufgabe den Film «Alfonso» (2013) von Regisseur Jan-Eric Mack vor, zu dem er die Musik geschrieben hat. Die Szene zeigt den Showhypnotiseur Alfonso, ruppig und mit allen Wassern gewaschen, wie er sich am lokalen Talentwettbewerb zur Show stellt. Den Teilnehmenden wurde die Szene vorgespielt und sie hatten die Aufgabe, diesem Filmausschnitt eine andere Musik zu unterlegen. Und das taten sie mit Wirkung, denn sie präsentierten gleich sechs andere Möglichkeiten, wie man diese Szene musikalisch auch wirkungsvoll umsetzen kann – es war jedes Mal wie ein anderer Film. Pierre Funck war von den Ideen der Komponist*innen begeistert und meinte: «Interessant und spannend die Kompositionen … Ja, man könnte es auch so machen.»
Richard Wurz
20. April 2021
Bilder: Richard Wurz
Weitere Informationen unter www.kuenstlerhausboswil.ch