Der Ausnahme-Cellist Gavriel Lipkind leitete in der Alten Kirche Boswil einen Meisterkurs und verlangte dabei von seinen TeilnehmerInnen, dass sie sich intensiv mit ihrem Instrument auseinandersetzten.
Noch einmal und noch einmal muss der junge Violinist die Passage eines virtuosen Stückes spielen. Immer wieder schüttelt der charismatische Gavriel Lipkind seine schwarze Lockenmähne, gibt auf Englisch Anweisungen, wie er es denn haben möchte. Hier geht es um Nuancen, kleine aber feine Details, darum, dass man ein anspruchsvolles Stück nicht nur technisch spielen kann, sondern wirklich musiziert. Dass dies manchmal ein harter Weg ist und man viel Ausdauer braucht, das merkt man, wenn man im Meisterkurs sitzt und sich eine solche intensive Lektion mit dem Meister anhört. Das ist wahrlich kein Zuckerschlecken, denn schliesslich geht es auch darum, das virtuose Stück bis zur Konzertreife oder wie im besagten Fall zur Aufnahmereife zu bringen. Eigentlich beherrscht der junge Violinen-Spieler sein Instrument perfekt, spielt die Partie auswendig, obwohl er sie noch nicht lange in den Händen hat und das Stück in kürzester Zeit einstudieren musste. Aber spielen und spielen sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Das versteht man rasch, wenn man Gavriel Lipkind bei seiner Arbeit über die Schulter schaut. Gavriel Lipkind verlangt von seinen KursteilnehmerInnen, dass sie in ihre Musik auch Seele und Herz geben.
Gavriel Lipkind
Boswil ein perfekter Ort
Die Alte Kirche und das Künstlerhaus in Boswil sind eine perfekte Lokalität. Im Gespräch betonte der charmante Cellist, dass man hier in der Ruhe und Idylle die Möglichkeit findet an sich selbst zu arbeiten. «Ich habe immer wieder Meisterkurse auf der ganzen Welt durchgeführt. Dabei ging es immer darum, dass sich die SchülerInnen, die in den Kurs kommen, für rund fünf Tage einfach nur mit Musik und ihrem Instrument auseinandersetzen», skizzierte Gavriel Lipkind seinen Beweggrund Meisterkurse zu geben. «Es geht darum, dass man die Möglichkeit hat, sich schlichtweg in der Arbeit zu verlieren», führte er weiter aus. Als er bei der Einweihung des Foyers zum ersten Mal in Boswil war, musste er mit leichtem Schrecken feststellen, dass hier in Boswil genau seine Maximen ebenfalls gelten. Da war für ihn klar, dass er auch in Boswil einen Meisterkurs geben will. An seinen Meisterkursen schätzt Gavriel Lipkind auch besonders, dass es zu einem Dialog zwischen Lehrer und Student kommt und relativ schnell die Regeln respektive die Distanz zwischen den beiden Parteien aufgebrochen werden und man miteinander kommuniziert.
Dem Monster in die Augen blicken
Die Arbeit mit Gavriel Lipkind ist intensiv und fordernd, das merkt man auch im Gespräch mit ihm. Doch es gibt die verschiedensten KursteilnehmerInnen, die immer wieder zu seinen «Intensivkursen» kommen. Auch in Boswil hat es StudentInnen, die nicht zum ersten Mal einen Meisterkurs bei dem gefragten Cellisten belegen. Bei der intensiven Arbeit, welche die jungen Leute vor sich haben, geht es nach Aussagen von Gavriel Lipkind auch darum, dass man sich die Zeit nimmt, zu den Stücken Fragen zu stellen, sich intensiv mit ihnen auseinanderzusetzen. Wenn man ein Musikinstrument spiele, dann sei dies ein System von Reflexen, die zusammengehen müssten, erklärte er. Wenn man sich dieser Herausforderung stelle und quasi dem Monster in die Augen sehe, dann würde man damit beginnen, nicht nur Fragen zu stellen, sondern auch Antworten zu finden.
In diesem Sinne kann man hoffen, dass die KursteilnehmerInnen bis am Freitagabend gemeinsam mit Gavriel Lipkind möglichst viele Antworten finden. Dann nämlich kommt das Publikum in den Genuss eines Konzertes, wobei Gavriel Lipkind relativierte. Dieses Konzert sei ebenfalls ein Werkzeug des Meisterkurses und man befinde sich dann immer noch einem sich entwickelnden Prozess.
Bettina Leemann
22. Januar 2019
Bilder: Bettina Leemann