«Grand Tour Caspar Wolf»
Die Region Aaregletscher, Grimselpass sei sein Thema, da sei er auch unterwegs, erzählt George Steinmann im Gespräch. Er wolle mit seiner Arbeit unter Einbezug von Caspar Wolf's Bildern die Region in die Zeit des 21. Jahrhundert hineintragen. «Es geht mir um die Frage von Umwelt, Entwicklung, Pflanzenwelt, Technologie und Poesie, denn wir stehen jetzt in der Entscheidungsphase was wir mit und von unserer Natur wollen.» In seiner Arbeit befasse er sich mit der Geologie und der Tektonik, beziehe die Pflanzenwelt, Biodiversität und ganz wichtig die Poesie mit ein. Die poetische Diskussion habe er in dieser Arbeit mit dem Philosophen Jan Juhani Steinmann, seinem Sohn, geführt, der zwei Gedichte vor Ort geschrieben habe, erklärt George Steinmann. «Mein Sohn war da mit dem Wort des Philosophen, wo Caspar Wolf mit Pinsel und Farbe wirkte.»
George Steinmann
Alpenraum wurde zum Nutzungsraum
Der Unterschied zu Caspar Wolf sei die Tatsache, dass man im 21. Jahrhundert nicht mehr das sehen kann, was Caspar Wolf in seinen Bildern festhielt. Er macht deutlich, dass der Alpenraum zu einer übernutzten Zone geworden ist mit den verschiedensten Partikularinteressen wie Tourismus, Energie- und Landwirtschaft und der Schweizer Armee. «Sie alle haben ein Interesse am Alpenraum und wollen ihn so in Anspruch nehmen, damit er ihnen nutzen kann.» Auf das Militär angesprochen, erklärt George Steinmann, dass der Alpenraum als Ort gebraucht werde, um mögliche Konflikte zu üben – man schoss zum Beispiel jahrelang in die Gletscher. «Jetzt schmelzen die Gletscher und man kann die Relikte der Schussübungen sackweise einsammeln.» Er suche die Orte in den Alpen regelmässig auf, um zu sehen, was diese Entwicklung für das Heute bedeutet. «Ich will aus tiefster Betroffenheit mit meiner Arbeit auf die Veränderungen hinweisen, denn wir haben keine Zeit mehr, sie läuft uns davon.» Der Alpenraum stehe unter einem massiven Druck, betont George Steinmann. So könne man im Sommer nirgends mehr aufgrund der immensen Lärmimmissionen des Individualverkehrs und der Kampfjet in Ruhe arbeiten. Dabei habe man eine Sehnsucht nach einer intakten Landschaft, die es aber leider nicht mehr gibt.
Die Heidelbeere und der Blues
Er arbeite grundsätzlich nur mit Naturprodukten, die er auch selber einsammle. So könne er unter anderem mit dem Heidelbeersaft seine Fotografien fixieren und anderen Pflanzensäften Farben und Pigmente herstellen. «Man kann sie sammeln und Kunst daraus machen oder geniessen.» Das Blaue in seinen Bildern kann man nicht kaufen, aber seine Intensivität ist Natur und korrespondiere mit Wolf's Bildern. Aus den Erkenntnissen, die man habe, müsse das Spannungsfeld Kultur-Landschaft-Nutzung aufgelöst werden. Dieser Dualismus im Denken und Handeln sei nicht mehr angebracht, denn es gehe nicht um das einzelne Umfeld, sondern unter Einbezug aller Faktoren um ein Ganzes. Es kam fast nicht zur Sprache, aber George Steinmann ist auch ein begnadeter Bluesgitarrist und sein Live-Video «Symbioses of Responsibility», aufgenommen anlässlich der UN-Klimakonferenz in Paris (2015) auf dem Rhonegletscher, ist ein Genuss, aber sehr melancholisch – wie ein Trauerlied zum Abschied.
Richard Wurz
17. April 2022
Bilder: Richard Wurz
Weitere Informationen unter www.diezukunftkuratieren.ch/ und www.murikultur.ch/ und www.george-steinmann.ch