Die Junge Bühne Bremgarten entblösste eindrücklich die Auswirkungen der digitalen Welt.
Die verschiedensten elektronischen Angebote und Plattformen tangieren kaum das Monatsbudget des Einzelnen. Aber ihren Preis haben sie, denn die BenutzerInnen geben ihre persönlichen Daten preis ‒ die Privatsphäre geht verloren und von der viel gepriesenen Freiheit bleibt nicht mehr viel übrig. Die Junge Bühne Bremgarten zeigte mit ihrer Eigenproduktion «../escape/» eindrücklich die Vielfalt der digitalen Welt auf und wie deren Nutzung ans Lebendige gehen kann.
Einloggen und Likes ein Muss
Die ZuschauerInnen waren gleich zu Beginn gefordert. Denn sie mussten sich mit dem erhaltenen «Telegram»-Profil und vorgegebenen Namen einloggen, denn die Theaterleute wollten ja wissen, wer sich da erlaubte einzutreten. Indem man sich nun einfach frei um die einzelnen Spielorte bewegen konnte, an denen die Theaterleute ihre Angebote gekonnt anpriesen, da war man unbewusst schon eingebunden in die digitale Welt. Die Theaterleute zeichneten vor Ort auf, was den Internet-UserInnen tagtäglich passiert. Fasziniert und neugierig liess man sich vom Angepriesenen einlullen und belohnte die Ausführenden sogar mit einem Like. Das Einzige, das einem verwehrt blieb, war, dass man nicht in den Ablauf mit Fragen oder Wünschen eingreifen konnte. Man musste nehmen, was auf einem zustiess ‒ und das war gut so.
Bis zum «Digital Suicide»
Die Theaterleute liessen es aber nicht dabei bewenden. Nach diesen aufeinanderfolgenden Live-Internet-Sequenzen führten sie dem Publikum vor Augen, was sich alles abspielt, ohne dass man es überhaupt wahrnehmen will. Vieles weiss man ja eigentlich und bemüht sich meist mit grösster Vorsicht, nicht in eine Falle zu tappen, um es dann doch zu tun.
Die jungen Theaterleute verstanden es hervorragend, in den verschiedensten sozialen und gesellschaftlichen Bereichen aufzuzeigen, wie viel Freiheit die digitale Welt einem vorgaukelt zu geben, während sie Stück um Stück verloren geht. Dies reicht vom gewünschten Date, zur Hilfe bei der Masterarbeit bis hin zum Gefühl, alles auf dieser Welt sei möglich und gehöre einem. Man verspricht sogar die Freigabe der persönlichen Daten nach Amerika, damit man sie dort nutzen und vermarkten kann. Da bleibt wohl nur noch der digitale Suizid ‒ alle Daten löschen, Ausstieg aus dem Internet. Allerdings fehlte die Antwort auf die Frage «... und was jetzt?»
Das hinterlässt Spuren
Die Junge Bühne Bremgarten verzichtete in ihrer Inszenierung auf wohltuende Art, den Mahnfinger gegen die digitale Welt zu erheben. Sie erzählte vielmehr einfach so von Angeboten und Plattformen, von denen alle glauben profitieren zu müssen. Sie verschwiegen aber nicht, dass das Persönliche sehr schnell öffentlich werden kann. Das Ineinandergreifen des gekonnten Spiels der Theaterleute, der Live-Musik und der ausgefeilten Technik war keine eigentliche Lehrstunde im Umgang mit der digitalen Welt. Trotzdem kann es nachhaltig wirkende Spuren hinterlassen, wenn man sie denn im Alltag aufnehmen will. Mit «../escape/» haben es die Theaterleute der Jungen Bühne Bremgarten hervorragend und eindrücklich geschafft, ein aktuelles soziales Thema aufzugreifen und für einen kurzen Moment einen transparenten Blick in die digitale Welt zu gewähren.
Richard Wurz
15. Oktober 2017
Bilder: Richard Wurz
Die weiteren Aufführungsdaten: 17./18./21./24./25./27./28. Oktober. Vorverkauf: Something Special, Marktgasse 20, Bremgarten, Telefon 056 633 44 22 oder www.kellertheater-bremgarten.ch/spielplan/escape